Archive 81: Grandiose Atmosphäre und verschenktes Potential
Archive 81 ist eine übernatürlicher Mystery-Triller und basiert auf dem gleichnamigen Podcast von Daniel Powell und Marc Sollinger. Im Zentrum der Handlung steht Dan Tuner (Marmoudou Athie), seines Zeichens Archivar und Filmrestaurator. Als er eine Sammlung an beschädigten Hi8-Videobändern aus dem Jahr 1994 restaurieren soll, ist er fasziniert. Das Material folgt der jungen Studentin Melody Pendras (Dina Shihabi), die für ein Forschungsprojekt den Vissier-Apartmentkomplex untersucht und dabei auch Bewohner*innen befragt. Doch aus der anfänglichen Faszination wird schnell Verwunderung und pures Grauen, als Melody mit einer gefährlichen Sekte in Kontakt kommt und sich zunehmend unerklärliche Dinge auf den Videobändern zutragen. Aber es kommt noch schlimmer. Dan scheint auf irgendeine Art und Weise mit Melody verbunden zu sein. Könnte er die junge Frau vor dem grausamen Schicksal bewahren, welches sie vor 25 Jahren ereilt hat?
Die Geschichte von Archive 81 wird in zwei Zeitebenen erzählt. Da wäre zum einen der Archivar Dan Turner und zum anderen die Studentin Melody Pendras. Damit folgt die aus acht Folgen bestehende Serie einem klassischen Horrortrend. Und das aus gutem Grund. Im Zeitalter der digitalen Dienste haben VHS-Kassetten oder Audiokassetten einen ganz eigenen Charme. Sie sind wie Türen in eine vergangene Zeit. Nachdem man die unter Staub und Gerümpel begrabenen Datenträger gefunden hat, kommt unweigerlich die Frage auf, welche Geheimnisse sie wohl in sich tragen. Die Geräusche, wenn die VHS-Kassette eingelegt wird, ist wie das Klicken eines Schlosses, das nach langer Zeit wieder den Raum dahinter preisgibt. Die größte Stärke von Archive 81 ist die Atmosphäre. Nein, man darf hier nicht allzu viele klassische Jump-Scares erwarten, die einen kalt erwischen. Vielmehr liegt von Minute eins an eine beinahe greifbare Anspannung in der Luft und man wartet darauf, bis endlich die mysteriösen Dinge passieren, die in der Inhaltsangabe versprochen werden. So herrscht in eigentlich ruhigen Szenen immer die Gewissheit, dass diese Stille bald schon vorbei sein wird.
Aber zur Atmosphäre gehört noch mehr – und da könnte man so einige Stilmittel nennen, die ineinandergreifen. Die teilweise verwackelten Aufnahmen der Studentin Melody, wodurch man als Zuschauer*in teilweise das Gefühl bekommt, gemeinsam mit Dan ein Geheimnis zu lüften. Die düstere Belichtung. Die Kameraführung, die in Räumen punktuell ein klaustrophobisch beklemmendes Gefühl aufkommen lässt. Und natürlich die Musik, die an dieser Stelle noch einmal gesondert hervorgehoben werden muss und phasenweise an Philip Glass erinnert – oder an eine minimalistischere und simple gehaltene Version des Soundrecks von Interstellar, wem dieser Name nichts sagt.
Schleppende Phasen und repetitive Dialoge
Dieses Niveau kann die Geschichte leider nicht ganz halten. Archive 81 greift viele Stilmittel bekannter Horrorfilme auf und macht auch immer wieder Anspielungen. Horror-Veteranen werden möglicherweise ihre Freude daran haben, all diese Elemente zu suchen und eine Verbindung herzustellen. Und auch wenn es schön zu sehen ist, wie Rebecca Sonneshine damit eine Art Liebeserklärung an das Horror-Thriller Genre schafft, so schade ist es gleichzeitig, dass Archive 81 es an einer eigenen Identität mangelt. Ja, es werden viele Ideen eingebracht, doch leider oft nicht so zu Ende gedacht, wie ich es mir gewünscht hätte. Manchmal ist weniger eben mehr. Darüber hinaus fühlen sich manche Passagen der acht Folgen etwas in die Länge gezogen an, an anderer Stelle dann wieder zu kurz.
Nein, Archive 81 ist nicht schlecht – überhaupt nicht. Vielleicht fallen letztere Kritikpunkte auch so sehr ins Gewicht, weil ich selten eine Serie erlebt habe, die die Spannung und das unterschwellige Gefühl einer herannahenden Gefahr praktisch von Minute eins so greifbar machen konnte. Entsprechend waren die Erwartungen an die Serie dadurch (zu) hoch und es tut umso mehr weh, dass sie eben nicht ganz das Niveau erreicht, dass ich mir nach dem Auftakt erwartet hätte. Für wen ist diese Serie aber nun etwas? Für Menschen, die ohnehin diese Mischung aus übernatürlichem Thriller-Mystery lieben, wird das hier ein kleines Serien-Highlight zu Beginn des Jahres sein. Wer sich aber nach großem Storytelling mit tiefgründigen und außerordentlich gut geschriebenen Dialogen sehnt, sollte vielleicht auf der Watchlist nachschauen, ob es nicht doch eine andere Alternative gibt. Archive 81 erscheint am 14. Januar 2021 exklusiv auf Netflix.
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Bildquelle: Quantrell D. Colbert/Netflix © 2021