Berichterstattung

Der Ukrainekrieg aus einer anderen Perspektive

Wer nach dem Lesen der Überschrift geglaubt hat, ZEITjUNG würde sich hiermit als pro-russisches Medium entpuppen, lag glücklicherweise falsch. Worum es stattdessen geht, lest ihr im Artikel.

Die in der Überschrift gewählte Ausdrucksweise „aus einer anderen Perspektive“ war wörtlich gemeint. Es geht darum, wie der Ukrainekrieg aussieht, wenn man ihn von einem anderen Kontinent betrachtet. Aus einer anderen Perspektive eben.

Und da ich gerade auf dem amerikanischen Kontinent verweile – aktuell in Kolumbien – und, wenn überhaupt, nur kolumbianische oder US-amerikanische Nachrichten konsumiere, kann ich bestens Bericht darüber erstatten, wie die Berichterstattung über den Ukrainekrieg hier ausfällt.

Die Antwort ist kurz, aber hat es in sich: Denn die Berichterstattung ist quasi nicht vorhanden.

Klar, jeder hier hat irgendwie von dem Krieg mitbekommen – aber das Ganze ist eher nebensächlich und wird nur am Rande thematisiert.

Wenn in den kolumbianischen Nachrichten Themen Aufmerksamkeit zukommt, in die das Ausland involviert ist, dann geht es darum, dass der kolumbianische Peso im Vergleich zum US-Dollar gefallen ist. Darum, dass es in Mexiko und Kuba einen Tropensturm gab, der die gesamte Umgebung verwüstet hat. Darum, dass es in Ecuador Proteste und Aufstände gegeben hat. Oder darum, was aktuell in Venezuela passiert.

Mit dem Ort, an dem man sich befindet, ändern sich die Nachrichten, mit denen man versorgt wird, gravierend. Im Moment erlebe ich also das, was ich im Studium gelernt habe, in der Praxis. Da gibt es etwas, das sich Nachrichtenfaktoren nennt – also Faktoren, die dafür sorgen, dass bestimmte Ereignisse in den Nachrichten thematisiert werden und andere eben nicht. Einer dieser Faktoren, die den Nachrichtenwert eines Ereignisses bestimmen, lautet „Nähe“. Das bezieht sich einerseits auf geographische, andererseits aber auch auf kulturelle und politische Nähe.

Nun ist Kolumbien – ebenso wie wahrscheinlich jedes andere Land auf dem amerikanischen Kontinent (und insbesondere im südamerikanischen Teil) – der Ukraine in keiner dieser Hinsichten sonderlich nahe.

Dementsprechend ist es natürlich vollkommen logisch, dass hier so wenig über den Ukrainekrieg berichtet wird. Schockierend ist es irgendwie trotzdem, wenn man sein ganzes Leben zuvor in Europa verbracht hat und der Krieg in den letzten Monaten das einzig Relevante war. Der einzige Grund, aus dem ich hier manchmal etwas von den neuesten Geschehnissen mitbekomme, ist, dass ich die Instagram-Seite der Tagesschau abonniert habe.

Ebenso schockierend wie die Tatsache, dass in einem anderen Teil der Welt so gut wie gar nicht darüber berichtet wird, was im eigenen Teil der Welt vor sich geht, ist die Tatsache, wie schnell man sich daran gewöhnt. Oder auch der Gedanke, wie viel von dem, was auf der Welt so passiert, wir in Europa gar nicht mitbekommen, weil wir nur auf Europa, die USA und die potenziellen Gefahren fokussiert sind, die von nahe an Europa gelegenen Staaten ausgehen könnten.

Wie viel von dem, was eigentlich relevant ist, entgeht uns wohl, weil wir nur auf uns selbst fixiert sind?

In jedem Fall war es gut, die Perspektive zu wechseln – um die Erfahrung zu sammeln, dass wohl alles auf der Welt immer eine Frage der Perspektive ist.

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Bildquelle: Anete Lusina on Pexels, CC0-Lizenz