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Einmal das Standard-Gesicht, bitte! Warum Influencerinnen alle gleich aussehen

Mal ehrlich: Wie oft hast du schon darüber nachgedacht, irgendetwas an dir machen zu lassen? Wenn du Teil der Generation bist, die mit Influencerinnen aufgewachsen ist, wahrscheinlich nicht nur einmal. Wo soll das hinführen?

Klar könnte man sagen, dass es schon immer Stars gab, die etwas an sich machen lassen haben. Auch Schauspielerinnen oder Sängerinnen aus früheren Generationen haben sich wahrscheinlich nicht selten die Lippen aufspritzen, die Nase richten oder die Brüste vergrößern lassen. Der Unterschied besteht aber darin, dass es sich hierbei um Frauen handelte, von denen sowieso klar war, dass sie absolut unerreichbar sind. Superstars eben.

Influencer*innen tragen aber ein anderes Bild von sich in die Welt hinaus. Was sie ausmacht, ist nicht ihre Unnahbarkeit, sondern im Gegenteil die Nahbarkeit, die sie kreieren, wenn sie in ihre Frontkamera quatschen. Was sie vermitteln, ist, dass sie ein*e Freund*in sein könnten, eine Art Mädchen von nebenan oder der süße Nachbar, der immer auf seinem Skateboard die Einfahrt entlangfährt.

Es ist einerseits nachvollziehbar, dass Influencerinnen so aussehen wollen wie andere Influencerinnen – schließlich wird der Eindruck erweckt, dass das das ist, was gut ankommt, was als schön erachtet wird und was die Follower sehen wollen.

Andererseits finde ich es schwach, sich diesem Druck zu beugen. Denn in dem Moment, in dem sich die nächste Influencerin die Brüste machen lässt, die Haare blondiert oder die Lippen aufspritzen lässt, wird ersichtlich, dass sie dabei nur an sich selbst gedacht hat und offensichtlich nicht daran, was sie damit in den Köpfen der Mädchen anrichtet, die ihr folgen.

Die Influencerinnen, die ich früher verfolgt habe und von denen ich weiß, wie sie am Anfang ihrer Karriere aussahen, sehen mittlerweile alle gleich aus – obwohl sie ursprünglich einmal unterschiedliche Gesichter, Haarfarben und Körperformen hatten, und alle auf ihre eigene Art und Weise hübsche junge Frauen waren. Mittlerweile haben sie alle blondierte Haare, aufgespritzte Lippen und eine Hüftpartie, die, ebenso wie der Hintern, im Verhältnis zum restlichen Körper auf den Fotos unproportional riesig wirkt. Natürlich haben sie auch alle künstliche Nägel, Fake-Lashes und eine Haut, die durch Selbstbräuner so braun geworden ist, dass es eigentlich gar nicht ihrem natürlichen Hauttyp entspricht. Aber das sind ja vergleichsweise weniger auffällige Merkmale, die einfach normal geworden sind. Viele von ihnen haben sich auch die Brüste operativ vergrößern lassen.

Nur: Wozu? Diese Mädels haben so viel mehr natürliche Schönheit und Individualität ausgestrahlt, als ihre Lippen noch schmal, ihre Brüste noch kleiner und ihre Haare noch nicht weißblond, sondern dunkelblond, rot oder braun waren.  

Wenn man auf Instagram geht und nur junge Frauen mit breiter Hüfte, großem Hintern, großen Brüsten und schmaler Taille sieht, die noch dazu volle Lippen, blonde Haare und gebräunte Haut haben, dann kann mir niemand erzählen, dass das nichts in den Köpfen anderer junger Frauen anrichtet.

Man fängt an, zu glauben, dass man so aussehen muss – und das sage ich als Person, die insgesamt das Glück hat, vergleichsweise gut in das gesellschaftliche Schönheitsideal zu passen. Wie müssen sich Mädchen und Frauen fühlen, die ohnehin schon weniger gut in das Schema dessen passen, was als schön erachtet wird?

Allein der Fakt, dass man auf Instagram nur Frauen sieht, die alle das gleiche Gesicht, die gleichen Haare und den gleichen Körper haben, sorgt zweifellos dafür, dass Mädchen das Gefühl bekommen, so aussehen zu müssen. Allein das ist also schon kritisch genug.

Wenn dann aber förmlich Werbung dafür gemacht wird, sich die Lippen aufspritzen zu lassen, ist das Maß einfach voll. Dasselbe gilt auch für Influencerinnen, die Werbung für bestimmte (extrem teure) Friseur*innen machen, nach dem Motto: Wenn du zu Friseur*in XY gehst, bekommst du auch so schöne voluminöse blonde Haare wie ich. Oder für Influencerinnen, die für Wimpern-Extensions, Bleachings oder Selbstbräuner werben. Was sie damit vermitteln, ist: Du solltest so aussehen wollen wie ich, und mit diesem oder jenem Mittel kannst auch du es schaffen.

Wo soll das hinführen? Haben irgendwann alle jungen Frauen, die es sich leisten können, das gleiche Gesicht? Haben irgendwann all diese jungen Frauen blonde Haare und exakt den gleichen Körper?

Ich wollte nie so aussehen. Ich wollte nie blond sein, ich wollte nie derart dicke Lippen und nie eine so breite Hüfte und so große Brüste haben. Aber Influencerinnen haben dafür gesorgt, dass ein Teil von mir es nun doch will, weil dieser Teil glaubt, dass eben das schön ist.

Ich bin sicher, dass so gut wie jede junge Frau einen Teil in sich trägt, der genau das auch glaubt. Aber wir dürfen diesem Teil keinen Glauben schenken – denn das, was er uns sagt, ist nicht wahr. Wir brauchen kein Hyaluron, keine Blondierung und kein Silikon, um schön zu sein. Es wird immer schwieriger, das zu verinnerlichen, weil es immer mehr Influencerinnen gibt, die das Gegenteil vermitteln und ihre Eingriffe unter dem Deckmantel der Selbstliebe verstecken. Aber inwiefern kann eine Frau sich selbst lieben, wenn sie offenbar so vieles an sich so wenig mag, dass sie es verändert? Diese Frauen tun das nicht für sich selbst, wie sie immer so schön sagen – sondern weil es ihnen eingetrichtert wurde, ebenso wie sie es nun uns eintrichtern.

Danke dafür.

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Bildquelle: Pexels; CC0-Lizenz