Hassobjekt Regenschirm.

Hassobjekt: der Regenschirm

Jeder kennt sie, jeder hasst sie und doch brauchen wir sie wie die Luft zum Atmen: Nervige Klientele und unnütze Gegenstände des Alltags, über die man sich so richtig schön echauffieren kann – da geht es den ZEITjUNG-Autoren nicht anders. Deshalb lassen wir unserer Wut in der Reihe „Hassobjekt“ einfach freien Lauf und geraten überspitzt in Rage. Eins ist sicher: Nichts ist uns heilig und keiner wird verschont. Dieses Mal auf der Abschussliste: der Regenschirm.

Da hängt er also, in der Ecke meiner Diele. Unbeachtet, viel gehasst. Der Regenschirm. Dass ich einen habe, fällt mir erst ein, als ich bereits mitten im Regen stehe. Jetzt ist es auch egal, jetzt bin ich eh schon nass.

Ich besitze sogar gleich zwei Regenschirme. Einen, den ich mir in größter Not im Drogeriemarkt gekauft habe, weil die Welt gerade unterging. Dieser Regenschirm ist jedoch mittlerweile mehr ein Fetzen, denn ein tatsächlicher Schutz vor Regenergüssen. Natürlich fiel er der nächsten Böe zum Opfer. Der andere Schirm hat es auf wundersamen Weg in meinen Besitz geschafft. Plötzlich war er in meiner Diele, dieser pinke Albtraum, der schon leichten Schimmel ansetzt. Er war da, niemand hat ihn vermisst, niemand hat ihn für sich in Anspruch genommen. Und nun nimmt er einen extra Haken an meiner Garderobe ein. Dafür hasse ich ihn noch ein bisschen mehr. Ich hasse Regenschirme, sie nerven mich, sie öden mich an, sie sind mir selten nützlich.

Der Teufel trägt nicht Prada, sondern einen Regenschirm

Wie die meisten Stadtmenschen halte ich mich viel drinnen auf, es ist mir daher vollkommen unverständlich, dass manche Menschen prophylaktisch einen Regenschirm mitschleppen. Welchen Platz der alleine in meiner Tasche einnehmen würde! Mir fallen soviel tollere Dinge ein, die ich mit mir trage anstelle eines Regenschirms, der vermutlich eh nicht zum Einsatz kommt: ein Buch, ein Magazin,  ein bis fünfzehn Snacks… Sicher habe auch ich Situationen erlebt, in denen ein Regenschirm mich trockenen Hauptes ans Ziel gebracht hat. Spaß hatte ich dabei nie. Dankbarkeit habe ich auch nicht verspürt. Vielmehr stauten sich in mir Emotionen der Abneigung, des Frusts oder sogar der Wut an. Das Handling des Regenschirms und ich – wir beide kommen nicht klar. Regnet es, haben alle Menschen Regenschirme dabei. Das fordert Ausweichmanöver von allen Beteiligten. Sind sich die Menschen dessen bewusst- nein! Stattdessen streifen mich Regenschirme von allen Seiten, es perlen nasskalte Tropfen von allen Seiten ab und treffen mich in Nacken und/oder Gesicht.

Ich mag nicht wie ein Regenschirm mich dazu verdammt, mich ungelenk durch Menschenmengen zu bewegen. Eine Hand immer durch den Schirm besetzt, versuche ich mich möglichst rücksichtsvoll mit diesem Koloss in die Welt zu begeben. Doch schon nach kurzer Zeit wird mir bewusst, dass das nicht möglich sein wird. Ich stoße überall an, habe eingeschränkte Bewegungsfreiheit und zu zweit unter einem Regenschirm, kann ich aufgrund eines definitiven Größenunterschieds sowieso vergessen. Also fallen Gespräche mit diversen Begleitpersonen aufgrund hermetischer Regenschirm-Abriegelung  aus.

Habe ich es dann mal ans Ziel geschafft, muss ich  die ganze Zeit daran denken, den Schirm zum Trocknen aufzuspannen, am besten an einem Ort, wo er gut belüftet ist und niemanden stört. In Büros oder Unis meist schwer auffindbar. Ganz sicher habe ich den Regenschirm dann auch dort vergessen oder jemand anderes hat ihn eingepackt – außer mein pinker Albtraum, der mysteriöser Weise immer einen Weg zu mir zurückfindet. Außerdem ist kaum etwas ekliger als an Regentagen in den klatschnassen Regenschirmständer zu greifen, weil mein Knirps natürlich ganz auf den Grund gerutscht ist und ich ihn nur mit kräftigem Zerren rausbekomme.

Das Schicksal eines Regenschirms? Eher sad.

Für den Regenschirm wäre es vermutlich sowieso besser gewesen, er wäre im Regenschirmständer versauert und hätte vielleicht jemanden anders glücklich gemacht. Bei mir Zuhause ereilt ihn ein noch trostloseres Schicksal. Er ist dazu verdammt, an meiner Garderobe langsam vor sich hinzuschimmeln, bis er einen Geruch entwickelt und von mir ohne mit der Wimper zu zucken in den Hausmüll manövriert wird. Bye bye Regenschirm, beim nächsten Regenerguss erinnere ich mich vielleicht an dich!

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Bildquelle: Unsplash unter CCO Lizenz