Kochen kann so viel Spaß machen und manchmal auch ausufern. Bild: Pexels

Hobbyköche – Fluch und Segen

Mittlerweile sind meine Schwester und ich natürlich erwachsen und ausgezogen, doch mein Vater hat seine Liebe für ausufernde Rezepte nie abgelegt. Er liebt es einfach, mit Lebensmitteln zu experimentieren. Meine Mutter weiß das und tut ihr Bestes, um ihn von Feinkostläden und gut sortierten Edeka-Märkten fernzuhalten. Aber mein Vater ist nun mal ein erwachsener Mann und wenn Ottolenghi ihm empfiehlt, doch mal frische Beeren mit Schafsmilch-Labneh und Orangenöl auszuprobieren, dann ist er nicht mehr zu halten.

Folglich finden sich in den Schränken meiner Eltern gerade zu Weihnachten häufig Zutaten, die man so normalerweise nur in Spezialitätenläden findet. Von Kefir-Blättern über Zimtäpfel bis hin zu Innereien ist da alles dabei. Dies führt auf der einen Seite zwar dazu, dass bei meiner Familie an Heiligabend jedes Jahr ein Sechs-Gänge-Menü anstelle von Kartoffelsalat und Würstchen kredenzt wird. Auf der anderen Seite haben sich Nachbarn und Freunde jedoch auch schon daran gewöhnt, dass sie für den zweiten Weihnachtstag nichts einkaufen müssen, da bei uns ein großes Resteessen stattfindet. Wenn das mal nicht der vielbeschworene Geist der Weihnacht ist.

Doch auch ich merke, dass diese kulinarisch offene Erziehung nicht ganz spurlos an mir vorbeigegangen ist.

Das fällt mir insbesondere auf, seitdem ich mit meinem Freund zusammengezogen bin. Bevor ich mein Unwesen in seiner Küche trieb, bestand sein Kühlschrank aus Harzer-Käse, Quark und Fleischwurst und auf dem Küchenregal standen Pfeffer und Salz. Dafür war er stolzer Besitzer von 50 verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln. Heute ist unser Kühlschrank grüner und das Gewürzregal musste aufgrund von Kumin, Kurkuma und Co. ausgebaut werden. So schnell kann’s gehen. Besonders dramatisch ist es jedoch erst seit Anfang November. Denn, während andere in Unmengen an Dekoration versanken, wollte ich vor allem eins: Kekse backen! Und so tingelten wir durch die einschlägigen Läden und füllten unseren Wagen mit Oblaten, Lebkuchengewürz und Hirschhornsalz. Alles Dinge, die man genau einen Monat im Jahr benutzt. Es lebe der Kapitalismus.

Dementsprechend backen wir nun seit einigen Wochen in sehr regelmäßigen Abständen Lebkuchen und freunden uns so mit den Nachbarn an, die gar nicht so böse sind über unsere scheinbar so plötzliche Freude am heimischen Ofen.

Naja, was soll ich sagen. Hätte ich das Rezept zuvor richtig gelesen, dann wäre mir sicher auch der Unterschied zwischen Kilo und Gramm aufgefallen. So haben wir nun 1 Kilo Hirschhornsalz zuhause, welches wir ja irgendwie verbrauchen müssen.

Scheinbar hat also nicht nur mein Dad ein kleines Problem mit Mengenangaben.

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Bildquelle: Daria Obymaha von Pexels; CC0-Lizenz