LiebesLeben: Offene Beziehungen in der Realität – die Rolle der anderen
Katja malt mit Sprache Bilder auf ihre Wortleinwand. In ihrer Kolumne nimmt sie euch mit in ihr Atelier: Als absoluter Gefühlsmensch schreibt sie über die Liebe und das Leben – ein bisschen philosophisch und ein bisschen psychologisch, mit einem Hauch von Melancholie.
Wir alle kennen es aus der Schule: Man glaubt, nach dem Gemeinschaftskundeunterricht sei man bestens vorbereitet auf das Leben – bis man zum ersten Mal eine Steuererklärung machen oder eine Rechnung schreiben muss und sich fragt, was all die theoretisch zwar perfekten, dafür aber äußerst praxisfernen Darstellungen von Wirtschaft und Finanzen jetzt eigentlich gebracht haben.
Ganz ähnlich ist es mit offenen Beziehungen. Denn was uns häufig präsentiert wird, wenn wir von offenen Beziehungen lesen oder hören, ist ebenfalls nichts anderes als ein Lehrbuch-Konzept: theoretisch perfekt, aber in der Praxis ist das alles eben doch etwas komplexer.
Wenn man selbst eine offene Beziehung führt, wird einem nach und nach klar, dass es so viele Dinge gibt, die zu dieser Erfahrung gehören, die allerdings selten thematisiert werden. In diesem Artikel geht es darum, welche Rolle andere Menschen in einer offenen Beziehung tatsächlich spielen – darum, welche Gefühle sie auslösen und wie man es schafft, als Individuum und als Paar daran zu wachsen, anstatt daran zu zerbrechen.
Nächste Woche wird es noch einen weiteren Artikel geben, in dem es darum gehen wird, welche Rolle man selbst in einer offenen Beziehung spielt. Aber alles zu seiner Zeit.
Weil es beim Lesen dieses Artikels vielleicht gut zu wissen ist: Mein Freund und ich haben zwar ein paar Regeln, allerdings sind das nicht besonders viele. Dafür ist es uns beiden einfach zu wichtig, uns nicht gegenseitig einzuschränken. Wenn wir wissen wollen, ob die andere Person in letzter Zeit etwas mit jemandem hatte, fragen wir nach – und wenn wir es nicht wissen wollen, lassen wir es. Anfangs hatten wir die Festlegung, dass wir einander immer sofort erzählen, wenn etwas passiert ist oder wenn sich etwas anbahnt. Mittlerweile hat es sich eher so eingependelt, dass wir in regelmäßigen Abständen nachfragen, was in letzter Zeit so ging, wenn es sich nicht ohnehin schon in Gesprächen herausgestellt hat. Das klingt vielleicht ein bisschen seltsam, aber für mich fühlt es sich natürlicher und irgendwie unverkrampfter an, nicht sofort alles erzählen zu müssen und andersherum auch nicht zwangsläufig sofort alles erzählt zu bekommen.
Sympathie: Fällt es leichter, wenn man die andere Person mag?
Wenn mein Freund mir erzählt, dass er etwas mit einer anderen hatte, ist es für mich tatsächlich sehr hilfreich, wenn er mir ein paar Infos über sie gibt und diese Person von dem anonymen Wesen in meinem Kopf zu einer realen Person wird, die ich zumindest ansatzweise einschätzen kann.
In den meisten Fällen hat mein Freund einen guten Geschmack: Die Frauen, die er trifft, sind mir oft sympathisch – und das ist ungemein hilfreich. Man könnte meinen, dass ich es doch gerade als Bedrohung wahrnehmen müsste, wenn da eine Frau ist, die richtig cool und offensichtlich attraktiv für meinen Freund ist. Schließlich ist es da doch viel wahrscheinlicher, dass er sich ein bisschen in diese Person verknallen könnte. Ich kann selbst nicht genau erklären, warum – aber irgendwie trifft das in der Realität nicht zu. Zumindest bei mir nicht. Wenn ich eine Frau, mit der mein Freund etwas hat, sympathisch finde, fühle ich mich beruhigt, kann mich ganz entspannt zurücklehnen und gönne ihm einfach eine schöne Zeit mit dieser Person.