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Luxus-Life in Deutschland: Warum wir nur glücklich sind, wenn wir konsumieren

Bei jungen Menschen in Deutschland dreht sich vieles um Konsum – egal, ob es um Instagram, neue Kleidung oder fette Autos geht. Aber warum überhaupt? Und wie könnte eine Alternative aussehen? Ein Einblick in die costa-ricanische Perspektive.

Gestern habe ich zwei costa-ricanische Jugendliche (Zählt man mit 19 noch als Jugendliche*r?) kennengelernt, die sich gemeinsam mit dem kleinen Bruder von einem der beiden Jungs den Sonnenuntergang angesehen haben. Sie kamen in einem halbzerfallenen Geländewagen angefahren, haben ihn am Straßenrand abgestellt, sind auf das Dach des Autos geklettert und haben dabei zugeschaut, wie die Sonne hinter einem der vielen Berge im costa-ricanischen Inland verschwindet.

Wenn ich darüber nachdenke, was ich mit 19 gemacht habe, gab es sicherlich auch Abende, an denen ich Sonnenuntergänge angeschaut habe. Aber ganz ehrlich: Ich glaube, an den meisten Abenden saß ich wahrscheinlich entweder an meinem Handy und habe mir Instagram-Beiträge angeschaut, oder ich saß bei meinem damaligen Freund zu Hause, oder ich war auf irgendeiner Party.

Darüber, dass das am-Handy-sitzen-und-Instagram-Beiträge-anschauen ganz klar etwas mit Konsum zu tun hat, müssen wir wahrscheinlich nicht reden. Klar ist es nicht die klassische Form von Konsum im Sinne von Kleidung, Schuhe oder Elektronik kaufen – dass das nicht mein Fall ist, habe ich Gott sei Dank schon mit 18 kapiert –, aber es ist definitiv auch eine Form von Konsum. Schließlich besteht der Gehalt dieser Beschäftigung nur darin, die ach-so-schönen Selfies anderer Menschen aufzusaugen. Dieser Punkt dürfte also klar sein.

Kommen wir zu den Partys, auf denen ich war: Natürlich geht es dabei auch um den Austausch mit anderen Menschen. Aber in erster Linie geht es auch hier um Konsum. Nicht nur, weil man Alkohol konsumiert, sondern auch, weil ich viele der Partys, auf denen ich war, natürlich für die Nachwelt auf Instagram festhalten musste – weil ich wollte, dass andere diese „spannenden“ Stories konsumieren und sehen, wie schön und erfüllt mein Leben doch ist.

Und ohne die Zeit mit meinem damaligen Freund schlechtreden zu wollen: Oft bestand unsere Abendbeschäftigung einfach darin, nichts weiter zu machen. Das hatte zwar nichts mit Konsum zu tun, war aber trotzdem nicht wirklich eine besonders erfüllende Beschäftigung. 

Bei diesen costa-ricanischen Jugendlichen, die ich getroffen habe, schien es hingegen völlig normal zu sein, dass man abends gemeinsam ein bisschen herumfährt, um den Sonnenuntergang anzuschauen. Ich bin danach übrigens zusammen mit ihnen auf den Berg in der Nähe gefahren, um die Kleinstadt bei Nacht zu betrachten. Auch das schien für sie normal zu sein. Kurz gesagt: Ich habe den Eindruck gewonnen, dass diese Jugendlichen – und auch viele andere junge Costa-Ricaner*innen, die ich hier kennengelernt habe – ihre Zeit viel häufiger draußen verbringen und den Tag viel besser in der Natur zu nutzen wissen, anstatt ihn mit konsumbezogenen Beschäftigungen zu verschwenden.

Im Gegenzug habe ich das Gefühl, dass mein 19-jähriges Ich mit seiner Freizeitgestaltung in Deutschland keine Einzelheit war. Vor kurzem habe ich auch mit zwei deutschen Mädels am Strand darüber geredet, dass wir alle in unserer Zeit in Costa Rica nicht ein einziges Kleidungs- oder Schmuckstück gekauft haben. Die beiden scheinen in Deutschland allerdings ziemliche Konsumopfer zu sein, die sich mehr als oft neue Hosen, neue Kleider oder neue Schuhe zulegen. Dieselbe Angewohnheit beobachte ich auch bei zugegebenermaßen vielen meiner Freund*innen und sogar bei meiner Familie.

Ich glaube, dass die Menschen in Deutschland so sehr auf Konsum und Luxus getrimmt sind, dass sie gar nicht mehr checken, dass das wahre Leben wenig mit schöner Kleidung, krassen Hotels oder dem neuesten iPhone zu tun hat, sondern mit der Welt da draußen, die sich uns jeden Tag in ihrer vollen Schönheit offenbart und die wir mit jedem neuen Tag, der kommt, häufig gekonnt ignorieren.

Die Mentalität in Costa Rica ist beispielsweise eine völlig andere. Die meisten Einheimischen tragen sichtlich ältere Kleidung und fahren alte Autos oder Mopeds. Die einzigen Orte, in denen Kleidungs-, Schmuck- oder Schuhgeschäfte einen Großteil der Straßen zieren, sind sehr touristische Orte, die auch an sich sichtlich nach hauptsächlich europäischen und US-amerikanischen Tourist*innen und ihre Bedürfnisse ausgerichtet sind.

Natürlich könnte man jetzt argumentieren, dass die Natur in Costa Rica auch viel mehr zu bieten hat als in Deutschland. Und ja, es stimmt: Die Landschaften in Costa Rica sind wunderschön. Es gibt Vulkane, Berge, Dschungel, Seen, das pazifische und das karibische Meer mit den dazugehörigen Stränden, Wasserfälle, und noch so viel mehr. Aber diese Kleinstadt, in der die besagten costa-ricanischen Jugendlichen aufgewachsen sind, hat nichts von all dem zu bieten – abgesehen von den Bergen. Und trotzdem wissen sie schon mit 19, wie man die Natur und das Leben richtig nutzt.

In Deutschland gibt es zwar keinen Dschungel und keine Vulkane – aber auch in Deutschland gibt es die Berge im Süden und das Meer im Norden, sowie viele Wälder und Felder und Flüsse und Bäche in den Breitengraden, die zwischen Ost- und Nordsee und den Alpen liegen.

Der Fehler liegt nicht darin, dass die Natur in Deutschland unspektakulär ist, sondern darin, dass unsere Denk- und Verhaltensmuster von Konsum und Luxus geprägt und zerstört sind. Der Fehler sind wir. Und es sind allein wir, die daran arbeiten und wieder auf das tatsächliche Leben klarkommen müssen.

Das ist eine der vielen Wahrheiten, die Costa Rica und seine Mentalität mir stärker denn je vor Augen geführt haben – und ich bin unendlich dankbar dafür.

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Bildquelle: cottonbro auf Pexels; CC0-Lizenz