Corona bestimmt den Alltag vieler Beziehungen

Quarantäne und Coronakrise: Belastungsprobe für die Beziehung?

Die Corona-Pandemie ist in vielen Partnerschaften Beziehungskiller. Eine gemeinsame Quarantäne bedeutet eine Überdosis Zweisamkeit – und das kann schnell zu viel werden.

Ich bin mit meinem Freund im Urlaub, als mir der zweite rote Strich auf der Testkassette entgegenleuchtet: Corona positiv. Mein erster Gedanke ist: Darauf habe ich jetzt im Allgemeinen wenig Lust. Der zweite: Im Konkreten bedeutet das positive Ergebnis, dass ich jetzt wohl mindestens sieben Tage auf engstem Raum mit meinem Freund verbringen werde. Wird uns das belasten?

Die Pandemie hat auch in der Liebe ihre Spuren hinterlassen

Auch in der Liebe hat die Pandemie ihre Spuren hinterlassen: in Form von kleinen Kratzern, dem Offenlegen von Problemen und Streit. Oftmals aber auch in Form von Entzweiung. Eine aktuelle Befragung des MDR ergab, dass fast jede fünfte Partnerschaft unter der Coronakrise leidet. Knapp die Hälfte der Trennungen in den letzten zwei Jahren hatten mit Corona zu tun. Befragt wurden mehr als 25.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Ich bin schnell genervt von Menschen – auch von ganz alltäglichen Dingen wie ihre Mimik oder der Art, wie sie Wörter betonen. Meine soziale Batterie ist schnell aufgebraucht und der Gedanke daran, sie nicht mit etwas Zeit alleine aufladen zu können, bringt mich normalerweise schnell in Bedrängnis. Und eine Überdosis von irgendwas? Das endet nie gut, auch nicht in der Beziehung, denke ich mir.

„Bei sehr viel Zeit auf kleinem Raum kann der Beziehung der Sauerstoff ausgehen und die Quarantäne zum Atemtest für die Partnerschaft werden“, sagt auch Hanna Liesenfeld, Ärztin in der Psychosomatik. Deswegen sei es wichtig, seine Vorstellungen der Quarantäne dem anderen nicht aufzuzwingen. Außerdem solle man sich Raum geben und die Zeit nicht als zwanghafte Flitterwochen verstehen. Beide Partner sollen sich auch anderen Dingen widmen und sich dann ganz bewusst Zeit füreinander nehmen: wie im ganz normalen Alltag eben auch.

Wir haben uns besser kennengelernt

Der Zeitpunkt, an dem ich genervt war, der kam aber irgendwie nicht. Wir waren füreinander da, haben miteinander gelebt, Dinge aber auch nebeneinander gemacht. Ich bin ehrlicherweise auch froh, dass ich während der Infektion nicht alleine war und mein Hypochonder-Hirn so nicht verrücktspielen konnte. Wir haben uns gelangweilt, waren auch frustriert, als der Test nach acht Tagen immer noch positiv war. Aber wir haben uns auch inspiriert und waren gemeinsam produktiv. Ein bisschen habe ich mich gefühlt wie als Kind, als man einfach in den Tag hineingelebt hat. Wir haben alle Folgen Temptation Island, Love Island und Bachelor geschaut und so ein gemeinsames Guilty Pleasure gefunden. Mit den paar Gehirnzellen, die danach noch übrig geblieben sind, haben wir Fotos gemacht und geschrieben. Vielleicht haben wir uns sogar ein bisschen besser kennengelernt.

Eine Studie aus den USA ergab, dass die Pandemie bestehende Beziehungsprobleme verstärkt, selten jedoch neue bringt. Die Wissenschaftler*innen beobachteten, dass glückliche Paare sogar etwas glücklicher wurden. Bei unglücklichen Paaren wirkt das Virus laut Beziehungscoach Dominik Borde wie ein Brandbeschleuniger. „Die starke Einschränkung unserer Freiheit hat vielen von uns bewusst gemacht, dass das Leben nicht endlos ist und wir nicht ewig die Möglichkeit haben, all die Lebensträume zu realisieren, die wir immer wieder aufgeschoben haben“, sagt Borde. Diese Erkenntnis bringe viele Menschen dazu, endlich das anzugehen, was sie schon lange tun wollten. Und das bedeutet oftmals eben Trennung.

Nach einer Woche merkte ich aber trotzdem, dass ich irgendwie überfordert war. Von den Erwartungen, die ich an eine perfekte Beziehung hatte und vor allem auch von meinen Unsicherheiten, denen ich irgendwie nicht entfliehen konnte. Wenn da kein Gegenpol ist zu dem eigenen Gedankenkarussell, wird es immer schneller und man hat das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. In solchen Momenten haben wir jedoch versucht, Rücksicht zu nehmen. Auf unsere Ängste und Wünsche: Und vielleicht hat uns genau das zusammengeschweißt.

 „Paare, die schon vor Corona gute Lösungsstrategien im Umgang mit Konflikten und Unterschiedlichkeiten hatten, haben ihre Beziehung tendenziell vertieft“, sagt auch Borde. Das gleiche gilt für Paare, die grundsätzlich ihre Zeit gerne miteinander verbringen.

Die Pandemie ist wie ein Scheinwerfer

Ich bin mir sicher, dass die Coronakrise und die Quarantänezeit eine Belastungsprobe für Beziehungen sein kann. Wir haben sie bestanden. Aber alle Beziehungen, die das nicht tun, wären möglicherweise früher oder später an etwas anderem zerbrochen. Die Pandemie ist wie ein Scheinwerfer, der seinen Lichtkegel auf das legt, was schon länger nicht mehr funktioniert. Vielleicht können wir das sogar als Chance nutzen, die Beziehung unter dem Lichtkegel betrachten und uns vor Augen führen, ob es das ist, was wir wollen. Und wenn nicht? Den Lichtschalter ausmachen, bevor wir uns daran verbrennen. Denn, wenn Corona uns eines gezeigt hat, dann, dass das Leben zu schnell vorbei sein kann, um es mit Menschen zu verbringen, die uns nicht gut tun.

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Bildquelle: cottonbro von Pexels; CC0-Lizenz