Die Menstruation ist bis heute für viele ein Tabuthema

Sexismus in der Arbeitswelt: Ist Menstruationsurlaub der richtige Weg?

Die Menstruation betrifft alle Menschen weltweit – unabhängig von Herkunft, Kultur oder Religion. Und trotzdem ist sie oft noch ein gesellschaftliches Tabu. Kann ein Menstruationsurlaub das ändern?

Mädchen und Frauen lernen früh, was es bedeutet, ihre Tage zu haben. Binden und Tampons werden gut in der Tasche versteckt, am besten so, dass sie niemand sieht. Leihen sie die Hygieneartikel einer Freundin, erinnert die Situation an eine Drogenübergabe. Keiner soll etwas davon mitbekommen. Die Periode machen sie mit sich selbst aus, sie wird als etwas privates und intimes angesehen. Das Bluten wird versteckt.

Und das, obwohl die Menstruation die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung betrifft. Sie ist ein natürlicher biologischer Vorgang, wird aber wie ein Tabu behandelt. Viele Frauen fühlen sich unwohl oder unrein. Einige sind sogar peinlich berührt, empfinden Scham.

Die Periode ist oft mit Schmerzen verbunden

Die Periode braucht einen Platz in der Öffentlichkeit. Dafür wäre eine offene Thematisierung wichtig, denn die Menstruation bedeutet nicht nur Blut. Viele Frauen haben mit Symptomen wie Bauchkrämpfen, Verdauungsbeschwerden oder Migräne zu kämpfen. Für manche kann sogar schon das aufrechte Stehen zur Qual werden. Aber sobald diese Symptome unter dem Label der Menstruation laufen, werden sie nicht mehr so wirklich ernst genommen. Es ist dann der Stereotyp der wehleidigen Frau. Sätze wie „Du hast wohl deine Tage“ unterstreichen das. 30 bis 50 Prozent aller fruchtbaren Frauen leiden jeden Monat unter starken, krampfhaften Kontraktionen der Gebärmutter bzw. anderen Symptomen. Rund 15% aller Frauen sind vom Krankheitsbild Endometriose betroffen, die einen normalen Alltag einmal im Monat unmöglich macht. 80% der Frauen sprechen von einem Produktivitätsverlust in der Arbeit während der Periode.

Deswegen gibt es in einigen asiatischen Länder mehrere Tage Menstruationsurlaub im Monat. Länder mit theoretischem (gesetzlich verankertem) Menstruationsurlaub sind Südkorea, Taiwan, Japan, Indonesien, Zambia und seit Kurzem auch China. Vorreiter ist Japan: Bereits in den 1920er Jahren begannen Gewerkschaften für ihre weiblichen Arbeiter Urlaub zu verlangen. 1947 trat schlussendlich ein Gesetz in Kraft, das es menstruierenden Frauen gestattet, während ihrer Tage Urlaub zu nehmen.

Menstruationsurlaub in Deutschland?

Der Rest der Welt ist da eher skeptisch: In Österreich und Deutschland beispielsweise existieren bisher weder Initiativen noch erwähnenswerte Diskussionen. In Italien wurde 2017 ein Gesetzesentwurf besprochen, der festlegen wollte, dass Frauen mit starken Regelschmerzen bis zu drei Tagen im Monat zu Hause bleiben können und trotzdem bezahlt werden. Betroffene Frauen müssten sich lediglich einmal im Jahr ein Attest ausstellen lassen. Zu einer Umsetzung kam es jedoch nicht. Auch in Russland scheiterte 2013 eine Initiative zum Menstruationsurlaub.

Einer der ersten globalen Großkonzerne, die einen sogenannten „menstrual leave“ eingeführt und sogar in den Unternehmensrichtlinien festgehalten haben, ist Nike. Seit 2007 können Frauen, die beim Sportartikelhersteller angestellt sind, freinehmen, wenn sie Menstruationsbeschwerden haben.

Das Thema ist sehr kontrovers. Auf der einen Seite kann ein Menstruationsurlaub zu einer erhöhten Produktivität am Arbeitsplatz führen. Gesundheitliche Beschwerden von Frauen können gemildert werden. Auf der anderen Seite wirft die Diskussion viele neue Fragen auf: Könnte der Zugang zum Arbeitsmarkt für Frauen so schwieriger werden? Schließlich haben Arbeitgeber*innen so eventuelle Mehrkosten zu stemmen. Ist der Urlaub damit möglicherweise sogar ein Rückwärtsschritt der Emanzipation? Das befürchtet auch Wissenschaftlerin Alice J. Dan vom Center for Research on Women and Gender in Chicago. Sie hält fest, dass die Anzahl der bezogenen Freitage in Japan zurückgeht. Das könne vor allem daran liegen, dass die Frauen Angst haben, ihre Karriere könne darunter leiden. Ist der Menstruationsurlaub möglicherweise sogar sexistisch?

Die Menstruation braucht mehr Sichtbarkeit

All das sind Fragen, die diskutiert werden können. Dafür bedarf es jedoch einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Periode sowie Regelschmerzen. Fehltage, die durch starke Menstruationsbeschwerden entstehen, sollen ohne die Stigmatisierung von Frauen möglich sein. Der Menstruationsurlaub kann dazu dienen, die Bedürfnisse von Frauen sichtbar zu machen. Er könnte Hemmungen bezüglich des Themas beseitigen. Es gäbe jedoch sicherlich auch (zusätzlich) viele andere Möglichkeiten, alle Interessen zu vereinen.

Spanien zeigt, wie es für beide Seiten funktionieren kann: Hat eine Frau periodenbedingte Schmerzen, kann sie sich Urlaub nehmen – unter der Bedingung, dass die Arbeit an einem anderen Tag nachgeholt wird. Die Qualität der geleisteten Arbeit ist mit Sicherheit höher, wenn diese nicht unter starken Schmerzen durchgeführt wurde, es profitieren also beide Seiten von diesem Konzept.

Letztlich spielt weniger eine Rolle, was für mehr Sensibilität getan wird. Viel mehr ist wichtig, dass überhaupt etwas getan wird. Auch kostenlose Hygieneartikel in Firmenklos könnten beispielsweise einen wichtigen Beitrag leisten.

Denn eines ist klar: Solange Blut eklig ist, solange MädchenTampons in der hintersten Ecke ihrer Tasche verstecken und solange Frauen Ausreden erfinden müssen, damit sie während der Menstruation zuhause bleiben können, wird der Sexismus nur weitergetragen und gestützt.

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Foto von Karolina Grabowska von Pexels