Streit in Fernbeziehungen: Das Worst-Case-Szenario
Ein Beziehungsstreit ist nie schön. Aber wenn man am selben Ort lebt, hat man immerhin die Möglichkeit, sich zeitnahe auszusprechen und wieder zu versöhnen. In Fernbeziehungen ist das leider nicht so einfach – und genau das macht es manchmal ziemlich schwer.
Eigentlich ist alles gut. Man telefoniert mit seinem Freund oder seiner Freundin; redet über dies und das. Irgendwann fällt ein dummes Wort, ein unbedachter Satz. Man fängt an, erst darüber zu diskutieren und schließlich darüber zu streiten. Die Sache schaukelt sich hoch, bis entweder man selbst oder die andere Person wutentbrannt auflegt, anfängt zu schreien oder zu weinen.
Was in Beziehungen, in denen beide Partner*innen am selben Ort wohnen, schon wirklich unschön ist, ist in Fernbeziehungen die reinste Hölle. Denn: Man hat nicht sofort die Möglichkeit, das Ganze aus dem Weg zu räumen. Und normalerweise auch nicht am nächsten oder übernächsten Tag. Vielleicht muss man bis zum nächsten Wochenende warten. Vielleicht muss man aber auch einen Monat warten, bis man sich das nächste Mal sieht – je nachdem, wie groß die Distanz ist, wie teuer die Busse, Züge oder Flüge sind, und wie viele berufliche Verpflichtungen die jeweiligen Personen haben. Wer einen Job hat, kann in der Regel nicht einfach unter der Woche in eine andere Stadt fahren oder gar in ein anderes Land fliegen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Man kann Streitigkeiten in Fernbeziehungen nicht so schnell aus dem Weg räumen. Klar kann man nachher darüber schreiben oder nochmal anrufen und darüber sprechen. Aber das ist einfach nicht dasselbe. Man kann sich nicht berühren, man kann sich nicht umarmen, man hat nicht wirklich das Gefühl, dass alles wieder gut ist, wenn man nur Worte sprechen kann, der Körper aber gezwungenermaßen stumm bleibt.
Beide Beziehungen, die ich bisher geführt habe, waren zumindest in bestimmten Abschnitten Fernbeziehungen, und ich hatte in diesen Fernbeziehungszeiten beide Male den Eindruck, dass eine Streitigkeit sich deutlich länger „ungeklärt“ anfühlt, wenn man sich nicht am selben Ort aufhält.
Richtig dumm gelaufen ist es, wenn die Person, die man liebt, auf einem anderen Kontinent herumhängt – und man das Gefühl hat, nichts machen zu können. Man fühlt sich nicht nur wie gelähmt; man ist es tatsächlich.
Ich hatte und habe aber nicht nur das Gefühl, dass es schwieriger ist, einen Streit zu klären, wenn man nicht die Möglichkeit hat, sich persönlich zu sehen – ich glaube, dass auch ein höheres Streitpotenzial vorhanden ist, wenn man nur schreibt oder telefoniert. Denn: Worte allein sind manchmal ziemlich missverständlich.
Die Stimme von jemandem zu hören, ohne sein Gesicht zu sehen, kann manchmal irritierend sein. Dinge kommen am Telefon häufig anders rüber, als sie rüberkommen würden, wenn man jemandem persönlich gegenüberstehen würde. Nur checkt man das in dem kritischen Moment selbst häufig nicht, und steigert sich stattdessen in die ganze Angelegenheit hinein.
Noch schlimmer ist es beim Schreiben – hier hört man schließlich nicht einmal die Stimme der anderen Person. Man hört nicht, auf welche Art und Weise etwas gesagt wird, und wenn am Ende der Nachricht ein anderer Smiley oder Emoji steht als man sich erhofft hatte, ist es das größte Drama der Welt.
All das wirkt vielleicht amüsant und kindisch, wenn man es in diesem Artikel liest – aber ich bin mir sicher, dass jeder, der schon einmal eine Fernbeziehung geführt hat, weiß, dass da leider mehr dran ist als uns allen lieb wäre, und dass solche Situationen in der Realität gar nicht so witzig sind, sondern die Beziehung manchmal ziemlich belasten können.
An dieser Stelle sollte eigentlich ein schlauer Tipp stehen, wie man das Problem lösen kann. Aber den gibt es heute nicht. Vielleicht ist es eine Frage der Zeit; eine Frage dessen, wie gut man sich schon kennt; eine Frage dessen, wie gut man dementsprechend die Aussagen der anderen Person einordnen kann.
Zu wissen, wie etwas wahrscheinlich gemeint ist, ist manchmal Gold wert – denn so bleiben die Streitigkeiten von vornherein aus, und man gerät gar nicht erst in diese Situation, in der es so schwierig ist, sich wieder zu versöhnen.
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