Tabu

Tabuthema: Ex-Partner*in?

In einer neuen Beziehung über Ex-Partner*innen sprechen: für viele sofort ein Tabu-Thema. Aber das muss nicht sein.

Jeder Mensch, dem wir in unserem Leben begegnen, gestaltet unseren Charakter mit. Erst recht tun das natürlich die Menschen, die für eine längere Zeit Teil von uns sind. Kurz gesagt: Unsere Ex-Partner*innen. Sie haben unser Bild von Beziehung, von Liebe und Sex geprägt. Die Vergangenheit gehört zwangsläufig zu uns dazu: Wie soll man sonst die Gegenwart verstehen? Wie sollen neue Partner*innen für uns da sein, wenn sie unsere Wunden nicht kennen? Und wie sollen sie unsere Eifersucht akzeptieren, wenn sie nicht wissen, woher sie kommt?

Als ich mit meinem Freund zusammengekommen bin, wollte ich alles über ihn wissen. Mich hat interessiert, wie seine ersten Male waren, wie viele Freundinnen er schon hatte, was ihn zu dem gemacht hat, was er ist. Auch ich habe munter drauf losgeredet, wie das alles bei mir war. Ich habe meine alte Beziehung schon so sehr überwunden, dass mir gar nicht in den Sinn gekommen ist, dass meinen neuen Freund die Erzählungen verletzen könnten. Es ist ja schließlich vorbei gewesen. Trotzdem wollte er nicht wissen, was ich wann und wie und wo mit meinem Ex getan habe. Verständlich, jetzt, wo ich so darüber nachdenke.

„Ausschweifende Details über intime Dinge und Emotionen sind Tabu“, findet auch Dorothea Behrmann, Trennungscoach aus Hamburg. Sie tun für die neue Beziehung nichts zur Sache. Anders verhält es sich mit einer reflektierten Erzählung über die Vergangenheit mit dem Ex. Was hat mich verletzt? Und wieso? Das verrät schließlich auch viel darüber, wie wir Beziehungen führen. Solche Gespräche können sogar Nähe stiften, denn sie zeugen von Vertrauen.

Ich war meinem Freund sehr dankbar, als er mir von einigen seiner Erfahrungen erzählt hat. Unsicherheiten und Ängste sind nie grundlos. Er hat mir die Chance gegeben, ihn zu verstehen und mich davor bewahrt, Fehler zu machen, von denen ich sonst vielleicht nicht einmal gewusst hätte, dass sie welche sind. Vergangenheit und Gegenwart sind zwangsläufig miteinander verknüpft: es ist unmöglich, einen Teil einfach auszuklammern und ihn zu ignorieren.

 „Solange Erfahrungen aus der Vergangenheit noch schmerzhaft sind, sind sie sehr gegenwärtig und prägen, wie ich meinen jetzigen Partner und die Beziehung sehe“, sagt Psychotherapeut Lars Auszra gegenüber der SZ. Es wäre nicht fair, dem neuen Partner oder der neuen Partnerin das vorzuenthalten: Kommunikation ist die Basis für eine gesunde Beziehung.

Gesund ist ein gutes Stichwort. Denn natürlich sollten wir uns immer fragen, was unsere Absicht hinter der Thematisierung ist. Ich habe eine Freundin, die ihrem Freund ständig erzählen musste, wie begehrt sie doch war. Eine Auflistung unserer Sexpartner*innen tut nicht wirklich etwas zur Sache und kann das Gegenüber verletzen. „Das mache ich vielleicht, um mich selbst aufzuwerten, aber für die Beziehung hat es keinen positiven Aspekt“, sagt auch Auszra. Vor allem, wenn man aus einer toxischen Beziehung kommt, sind solche Versuche nachvollziehbar. Es ist schwierig, solche Denkweisen abzulegen und zu lernen, wie eine gesunde Beziehung funktioniert.

Trotzdem gilt: „Wenn man ein bestimmtes Alter erreicht hat, hat der andere eben eine Vergangenheit. Und das muss man grundsätzlich akzeptieren und darf es ihm auch nicht übelnehmen“, findet Auszra. Die Thematisierung kann durchaus positiv sein, wenn man es richtig und sensibel macht. Es geht weniger um das Was, sondern vielmehr um das Wie.

Mehr zum Thema:

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: cottonbro von Pexels; CC0-Lizenz