Seit Januar 2022 sind viele Tattoofarben verboten

Tattoos: „Sie zeigen, wer ich bin“

Tattoos erzählen Geschichten. Die Bilder auf der Haut werden immer populärer, der Trend zieht sich durch die ganze Gesellschaft. Aber wieso eigentlich? Was hat es mit den Tattoos auf sich? Sind sie wirklich giftig? Und was sagt die REACH-Verordnung der EU?

Oana zieht den Ärmel ihres Kleides nach oben. Auf ihrem Arm stehen die Koordinaten von Köln. „Sie sollen mich immer daran erinnern, woher ich komme und wer zu mir gehört“, erzählt sie. Die 20-Jährige hat acht kleine Tattoos, verteilt auf dem ganzen Körper. Und jedes Motiv erzählt eine Geschichte. Oana bindet ihre Haare zusammen, Midnight Memories steht auf ihrem Rücken. „So heißt einer meiner Lieblingssongs“, erzählt sie. „Nachts, da werden die Gefühle klarer, Gedanken werden lauter und die Musik viel schöner.“ Daran möchte Oana sich immer erinnern.

Etwa 6,3 Millionen Menschen in Deutschland sind laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) tätowiert. Mindestens jeder Elfte ab 16 Jahren (9 Prozent) trägt ein Tattoo. Bei den 25- bis 34-Jährigen sind es doppelt so viele (22 Prozent).

„Viele meiner Freundinnen sind tätowiert“, erzählt Oana. „Es macht auch richtig Spaß darüber zu reden und nach Motiven zu suchen.“ Manchmal liegen Oana und ihre Freundinnen stundenlang nebeneinander im Bett und durchforsten Pinterest und Instagram nach Inspiration. „Den Stern hier haben meine beiden Freundinnen und ich uns alle drei stechen lassen“, sagt sie und zeigt auf einen feinen Polarstern an ihrer Hand. „Als gemeinsame Erinnerung.“

Erinnerungen – das ist einer der häufigsten Gründe für ein Tattoo. Das ergab eine Online-Umfrage aus dem Jahr 2019. Oft lassen sich Menschen auch als Erinnerung an eine verstorbene Person tätowieren. Das kann Kraft spenden, das Unaussprechliche greifbar machen. Noch häufiger nannten die Befragten die Tätowierung als individuelles Statement. Das bestätigt auch Tobias Lobstädt, Erziehungswissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen. Er beschäftigt sich mit der Psychologie hinter den Tattoos. Die Selbstdarstellung durch die Tätowierungen sei in unserer schnelllebigen Gesellschaft sehr wichtig. „Ein schnell wechselnder Bekanntenkreis und neue Arbeitsumfelder erfordern eine schnelle Selbstdarstellung über den Körper“, erklärt Lobstädt. Tattoos hätten dabei eine ähnliche Wirkung wie die teure Uhr oder der schicke Anzug. Aber auch die Ästhetik der Bilder und Schriftzeichen sind laut Lobstädt ein Grund für eine Tätowierung. 12% der Befragten gaben in der Online-Umfrage „modische Selbstverwirklichung“ als Grund an.

„Am Fuß habe ich eine kleine Kirsche tätowiert“, erzählt Oana. „Die hat zum Beispiel gar nicht so wirklich eine Bedeutung. Ich fand die einfach süß.“ Oana fühlt sich wohl mit ihren Tattoos. Sie gehören zu ihr, zeigen, wer sie ist. Die Stellen hat sie jedoch trotzdem so gewählt, dass man sie im schlimmsten Fall verdecken könnte. „Nicht, dass es dann mal Probleme in einem Vorstellungsgespräch gibt“, sagt Oana. Vorurteile gegenüber Tätowierten gibt es viele. „Für manche bin ich direkt kriminell, nur weil ich irgendwo ein kleines Tattoo habe“, erzählt sie und lacht.

Die Skepsis vieler Menschen bezieht sich jedoch auch auf die Tattoofarben. Schließlich kommt die möglicherweise giftige Farbe unter die Haut. Und was da mit ihr passiert, ist weitgehend unbekannt. Aus diesem Grund sind seit Januar 2022 viele Tattoofarben verboten worden. Das regelt die REACH-Verordnung der EU. REACH steht dabei für „Regulation concerning the Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“. Einige Pigmente und Konservierungsmittel, die in Tattoofarben verwendet werden, wurden jetzt als gefährlich eingestuft. Branchenverbände und Tätowierer kritisieren allerdings, dass diese Gefahr nicht hinreichend überprüft wurde. Der Bundesverband Tattoo e.V. schreibt: „Zu behaupten, man habe sich  (soweit erkennbar) auf EU-Ebene auch nur im Ansatz mit den vielen wohl begründeten Einwänden von Fachwissenschatlern auseinandergesetzt, wäre unwahr.“

„Die Verordnung ist mir relativ egal“, sagt Oana. „Meine Tattoos sind alle schwarz, nicht farbig.“ Von der neuen Verordnung sind die Farben damit nicht betroffen. Oana bereut ihre Entscheidung nicht, sie liebt die Tätowierungen. „Ich finde, dass man Dinge einfach tun sollte, die einen glücklich machen.“ Ganz nach dem Motto: Why not? Den Schriftzug möchte sie sich vielleicht als nächstes tätowieren.

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Bildquelle: Elain Yao auf Pexels; CC0-Lizenz