Wie sinnvoll ist die Vermarktung von Nachhaltigkeit als Lifestyle?
Meine Geschichte beginnt mit einem Strohhalm und dem Nasenloch einer Schildkröte. Genauer, einem Strohhalm in dem Nasenloch einer Meeresschildkröte. Der sorgt dafür, dass das arme Tier stirbt und dem Menschen, wenn er das sieht, vielleicht zum ersten Mal klar wird, dass die Abfälle, die er produziert, nicht in der Tonne wie durch Zauberhand verschwinden.
Die große grüne Hoffnungslosigkeit
Sobald das Menschlein solche Informationen bekommt und sich dessen bewusst wird, erschrickt es kurz, und rappelt sich dann – meistens – auf. Dann macht das Menschlein alles, um sich zu verändern. Kauft nur noch Bio, kein Plastik mehr, fährt nur noch Fahrrad. Und sieht trotzdem dunkle Wolken am Horizont. Sieht Klimapakete, bei denen man den Politikern eigentlich zurufen möchte: „Hey! Geht doch nächstes Mal lieber schlafen. Wenn die Lichter im Bundestag aus sind, bringt das der Umwelt mehr, als dieses Klimapäckchen.“ Sieht Menschen, die den Klimawandel leugnen. Die sich keinen Deut um umweltbewusstes Verhalten kümmern. Und dann ist das Menschlein frustriert. Und resigniert, früher oder später.
Klimaschutz und Diäten sind ähnlich durchsichtig
Der Klimaschutz hat ein bisschen was von Diäten. Lebensmittel sind mal in alle Himmel gelobt, mal verteufelt, Keto, Vegan, Glutenfrei, eigentlich kann da doch kein Mensch den Durchblick behalten. So ähnlich ist es beim Klima. Der Mensch stellt sich freitags auf die Straße, versucht alles, um umweltfreundlich zu leben – und nichts passiert. Ebenso wie der Abnehmwillige, der dann doch wieder die gleiche Zahl auf der Waage sieht, verkriecht sich der Klimaschützer irgendwann mit einer Packung Ben&Jerrys frustriert auf der Couch. Wenn man das Gefühl hat, die eigenen Handlungen wären irrelevant, beginnt man irgendwann, an allem zu zweifeln. Und was soll man auch tun? Wenn man beim Klimaschutz von dem Politischen enttäuscht ist, besinnt man sich auf das Private, frei nach dem Motto, auch ich alleine kann meinen Teil zur Veränderung der Welt beitragen. Aber hier hört die Verwirrung nicht auf, sie fängt eigentlich erst so richtig an. Inlandsflüge sind mal absolut verteufelt, mal wird behauptet, sie machen eigentlich nur einen kleinen Teil der gesamten CO2 Belastung aus. Fleisch ist der nächste große Sündenbock, oder dann aber vielleicht doch die Avocado? Wer behält schon den Überblick darüber, was gut ist und was nicht? Unternehmen nutzen die Verwirrung und den Willen zur Veränderung, um immer neue Produkte zu vermarkten. Und was wäre schon ein anständiger Umweltschützer ohne die Bambuszahnbürste und den Jutebeutel?
Vermarktung von Umweltschutz führt zu einer Verwässerung der Themen
Durch die Vermarktung von Nachhaltigkeit als Lifestyle wird über das eigentlich Relevante hinweggetäuscht. Und ja, natürlich ist jeder kleine Schritt in die richtige Richtung besser, als sich gar nicht zu bewegen. Aber bei Nachhaltigkeit geht es nur sekundär um den umweltfreundlichen Konsum. Es geht darum, nicht zu konsumieren, oder zumindest weniger. Das nachhaltigste Shirt ist das, das gar nicht gekauft wird. Zu suggerieren, man könnte unser jetziges Konsumverhalten aufrechterhalten, ohne dass sich jeder zumindest ein bisschen einschränken muss, ist nicht mehr als eine Illusion.
Durch den permanenten Fokus auf die Veränderungen im Privaten geht das eigentlich Wesentliche verloren. Die Verantwortung für das Klima wird dem Einzelnen und seinem Verhalten in die Schuhe geschoben. Aktivisten werden als nicht glaubwürdig abgestempelt, nur weil sie vor zehn Jahren mal eine in Plastik eingeschweißte Gurke gekauft haben. Natürlich trägt jeder mit seinem Konsum dazu bei. Aber das Grundgerüst muss von der Politik geschaffen werden. Das hat immer etwas wahnsinnig desillusionierendes zu sagen, man alleine habe sowieso keine Macht. Und es stimmt ja auch nicht. Es muss aber beides zusammenkommen, um wirklich etwas zu verändern. Sowohl politisches als auch privates Engagement. Und nur, wenn der Mensch sich nicht von Konzernen einreden lässt, zur Rettung der Welt brauche es nicht viel mehr Veränderung, als sein Obst künftig in Bienenwachstüchern einzuwickeln, gibt es die wirkliche Chance auf einen Wandel.