Heiraten

Eine Idee Liebe: Wann fragt er denn endlich?

Die romantische Liebe ist zum zentralen Motiv unserer Paarbeziehungen geworden. Dass sie der Kitt zweier Menschenleben ist, ist dabei eine noch recht junge Erfindung. Seitdem hat sich viel getan. In dieser Kolumne beschäftigen sich unsere zwei Autorinnen Lena und Rahel mit dem Ursprung der romantischen Liebe. Wo kommt sie her, wo will sie hin? Ist die Liebe zwischen Swipe links und Swipe rechts nur noch ein Produkt der Liebesökonomie?

Es wird geheiratet und das meine ich nicht im allgemeinen Sinne, sondern ganz konkret in meinem Umfeld. Ein Zustand, der mich zu Beginn dieser Diamantring-Welle etwas überrumpelte. Heiraten? Machte man das wirklich noch?

Bis vor einigen Jahren war ich felsenfest davon ausgegangen, dass die Idee einer großen Hochzeit in weiß mittlerweile völlig antiquiert wäre. Schließlich war mein Freundeskreis links-grün-feministisch und die Tradition der Hochzeit galt als überholt. Man konnte sich auch lieben und Kinder bekommen, ohne sich vor irgendeiner wildfremden Person das Ja-Wort zu geben oder – viel schlimmer noch – vor der katholischen Kirche. Gerade unter meinen Kommiliton:innen aus den Geisteswissenschaften schien ein Gespräch über offene Beziehungen angebrachter als eine Diskussion über Brautsträuße und Hochzeitskleider.

Um so mehr verwirrte es mich als einige Jahre später die ersten Fotos von großen Klunkern an zarten Händen auftauchten.

Moment mal, was war denn da passiert?

Je mehr Zeit verging, desto lawinenartiger wurden solche Bilder auf Instagram und Co. Bei manchen kamen die Babybauch-Fotos vor der weißen Traumhochzeit, manchen trugen Chucks unter ihren kurzen Sommerkleidern und andere entschieden sich für die traditionelle kirchliche Trauung. Unter der Haube waren sie schließlich alle. Wobei alle natürlich übertrieben ist, doch je älter ich werde, desto mehr weicht die einstige rebellische Einstellung vieler Freund:innen und Bekannten einem traditionellen Bild der Kleinfamilie.

Dies führt auch dazu, dass Telefonate mit Freund:innen sich immer öfter um ebendiese Themen drehen. Während wir vor einigen Jahren noch den nächsten Trip nach Costa Rica planten, geht es nun um die Wandfarbe im Flur oder den neuen Kinderwagen für die kleine Elise.

Angst macht mir diese Entwicklung kaum. Ich liebe Hochzeiten und auch kleine Kinder finde ich extrem niedlich. Was mich am Hochzeitsfieber jedoch irritiert, ist die Dringlichkeit, mit dem es um sich greift. Während mein Umfeld vor wenigen Jahren noch geschockt reagierte, wenn eine Freundin einen positiven Schwangerschaftstest auf den Tisch legte, werden nun Babypartys geschmissen und die frisch gestrichenen Kinderzimmer mit Regenbögen und Mobiles dekoriert.  Und auch Heiratsanträge wirken nicht mehr verfrüht, sondern sind erstrebenswert. Selbst dann, wenn man mit dem Angebeteten erst ein halbes Jahr zusammen ist. Er ist einfach der Eine! Dabei geht der hier entstehende Druck fast nie vom männlichen Part der Beziehung aus, sondern von der Frau.

Der Ring soll groß, die Hochzeit eindrucksvoll und Flitterwochen romantisch sein. Alles perfekt zugeschnitten auf den Instagram-Feed. Äußert man Erstaunen aufgrund der Eile und des Budgets, bekommt man oftmals exakt die gleichen zwei Antworten: „Naja, ich gehe schließlich auch schon auf die dreißig zu“ und „Man heiratet schließlich nur einmal im Leben.“

Ist das so?

Während die eine Hälfte des Freundeskreises also ausrastet und nach Locations und dem perfekten Konditor für die Torte sucht, sitzt die andere Hälfte zuhause auf der Couch und fragt sich, wann der Angebetete endlich den Ring zückt und einen (super romantischen) Antrag macht. Schließlich hat man auf den sozialen Medien bereits hunderte solcher perfekt geplanten Kniefälle gesehen.

Die Frage, warum sie, die in ihrer Freizeit auf feministische Symposien geht, nicht einfach selbst den Antrag macht, kann man sich jedoch gekonnt sparen, denn beim Thema Hochzeit hört der Feminismus in vielen Köpfen auf. Eine Hochzeit bedeutet Tradition und mit Traditionen soll man bekanntlich nicht brechen, oder?

Statistisch betrachtet machen nur 5% der Frauen in heterosexuellen Partnerschaften den Antrag. Bei 12% der verheirateten Paare gibt es gar keinen Antrag, sondern die Hochzeit wird einfach gemeinschaftlich beschlossen und in 83% der Fälle geht der Mann auf die Knie. Als ich diese Zahlen das erste Mal gelesen habe, schockten sie mich dann doch ein wenig und ein unweigerliches „Ich dachte wir wären weiter“ schwirrte mir durch den Kopf. Wie kann es sein, dass wir im Job oder beim Dating die Flagge der Selbstständigkeit hochhalten, wir bei der Hochzeit jedoch in die 50er Jahre zurückfallen und plötzlich mit Kind und Schürze auf unseren Retter auf weißem Ross warten?

Die Wahrheit liegt wie so häufig wohl in der Mitte. Die Tatsache, dass Frauen bei einer wichtigen Entscheidung in ihrem Leben nach ihrer Zustimmung GEFRAGT werden wollen, ist zunächst nicht verwerflich, sondern nur die konsequenteste Form des Konsens. Und der Wunsch nach einem großen Fest ist an sich auch noch nicht der Untergang des Feminismus. Doch problematisch wird es, wenn der gesamte Lebensinhalt plötzlich nur noch diese eine Frage und die Spitzendetails des Brautkleides sind. Würden wir Hochzeiten mehr wie „ein Fest von vielen“ feiern, wäre nicht nur die Feier entspannter, sondern auch der Druck, der die Entscheidung für den oder die Eine:n mit sich bringt, würde sich in Luft auflösen.

Vergessen wir bei Hochzeiten wer wir sind?

Natürlich kommt es auch hier auf das individuelle Paar an. Heiraten an sich ist nichts antifeministisches und ein Fest, um die Liebe zwischen zwei Menschen zu zelebrieren ist etwas Schönes. Dennoch sollten Paare sich in ihrer Lebensplanung vielleicht öfter eine simple Frage stellen: Was wollen wir und was ist uns wichtig?

Denn ja, die Bilder auf Instagram von amerikanischen Prunkhochzeiten sind sehr eindrucksvoll, aber will man das überhaupt? Ist man Typ Paillette, Strass und 200 Gäste oder reicht einem eine kleine Hochzeit im Garten mit Chucks unterm Hochzeitskleid? Worauf legt man Wert? Will man heiraten, weil man heiraten will oder hat man nur Angst den Anschluss zu verpassen, weil das gesamte Umfeld Ja sagt?

Ich möchte hier niemandem von der pompösen Hochzeit in jungen Jahren abraten, sondern lediglich dazu auffordern einmal innezuhalten und sich selbst zu reflektieren, denn das Leben endet nicht mit 30 und Ehen mit dicken Klunkern am Finger halten nicht unbedingt länger.

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Bildquelle: Pexels; CC0-Lizenz