Wie die Zeit vergeht

„Ach, wo ist die Zeit bloß hin?“ – und warum Menschen das sagen

Kennt ihr diese Menschen, die immer wieder erwähnen müssen, wie schnell doch die Zeit vergeht? Und erwischt ihr euch selbst vielleicht auch manchmal genau dabei? Falls ja, ist das kein gutes Zeichen.

Und zwar nicht, weil es auf eine beginnende Demenz hindeutet, sondern vielleicht darauf, dass man sein Leben nicht lebt. Oder zumindest, dass man es nicht auskostet. Es nicht in vollen Zügen genießt. Die Möglichkeiten, die es bietet, nicht ausschöpft.

Denn wenn man das tut, kommt einem die Zeit nicht so kurz vor. Vielleicht, wenn man 20 Jahre später darauf zurückblickt, weil eben jene Zeit dann schließlich schon 20 Jahre zurückliegt. Aber nicht, wenn man über eine Zeit spricht, die gerade erst passiert ist; die gerade erst vorbei ist – zum Beispiel über den Sommer.

Klassisches Beispiel: Wir haben September, die Sommermonate sind vorbei, die warmen Tage gezählt – zumindest in Deutschland – und alle reden darüber, wie schnell doch der Sommer wieder vorbei war. Schon klar, für die meisten Leute kann der Sommer nie lang genug sein. Aber wenn er ihnen so schrecklich kurz vorkommt, und das jedes Jahr wieder, dann liegt es vielleicht auch ein bisschen daran, dass das eigene Leben festgefahren und eingestaubt ist wie ein altes Auto – im Sommer wie im Winter.

Denn mir kamen die vergangenen Monate alles andere als kurz vor. Ich habe in den letzten sechs Monaten so viel erlebt, dass es eigentlich für ein ganzes Jahr reichen würde. Und ein Freund von mir meinte einmal, dass er allein in den letzten Jahren so viel erlebt hat, dass es eigentlich für ein ganzes Leben reichen würde. Das ist wohl das Best-Case-Szenario.

Nur stecken leider viel zu viele Menschen so tief in dem Leben drin, das sie sich irgendwann einmal ausgesucht haben und von dem sie insgeheim glauben, dass sie nicht mehr daraus ausbrechen können. Nicht einmal für einzelne verrückte Aktionen oder ungewöhnliche Momente. Das Leben besteht aus Arbeit, Haushalt und Schlafen. Das Highlight stellt dann irgendein Stadtfest dar, das mit irgendeinem C-Promi als Stargast wirbt und auf dem man sich mal wieder unter Vorwand gepflegt betrinken kann. Und ich rede hier nicht von 70-Jährigen, sondern von Mitte-20-Jährigen. Schockierend, aber wahr.

Dinge müssen doch immer auch ein bisschen verrückt sein, damit man sich an sie erinnert. Denn welche Momente sind die, an die wir uns erinnern? Sicher nicht die, in denen wir allein zu Hause gesessen und Pizza bestellt haben. Und auch nicht die, in denen wir wie jeden Tag in irgendeinem Büro gesessen haben. Und auch nicht die, in denen wir wie jedes Jahr über das Stadtfest gelaufen sind und Bowle aus einem Plastikbecher getrunken haben.

Das Leben lebt von einem Hauch Verrücktheit, Abenteuerlust, Wagemut. Und den Menschen, die jedes Jahr wieder betonen, wie schnell doch der Sommer vergangen ist, fehlt es genau daran. Denn sonst wäre ihr Leben vermutlich spannender und die Tage, Jahre und das Leben selbst würden ihnen nicht so schrecklich kurz vorkommen.

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Bildquelle: Pixabay via Pexels, CC0-Lizenz