Heteropessimismus

Eine Idee Liebe: Dating nach Langzeitbeziehungen

Dating in Zeiten von Tinder und Co.

„Und wie ist es heute?“ „Gute 20 Jahre später ist die Datingwelt eine andere. Interessante Frauen wissen viel genauer was sie wollen und vor allem was sie nicht wollen. Sie haben antiquierte Moralvorstellungen abgelegt, leben ihre sexuellen Fantasien und suchen nicht mehr so selbstverständlich wie früher eine feste Beziehung. One Night Stands und Freundschaften Plus sind somit leichter geworden, vorausgesetzt man sucht nach diesen unverfänglichen Treffen.“ Ja das stimmt schon. Wenn ich da nur an meinen Freundeskreis denke, fällt mir auf, wie viele verschiedene Beziehungsmodelle es gibt. Und trotzdem ist der große Teil meiner Freundinnen Single. Nicht, weil sie niemanden finden, sondern weil sie die Freiheiten des Singlelebens genießen und dazu gehört eben auch die Nutzung von Datingapps.  

„Eine echte Partnerschaft zu finden, ist meiner Einschätzung nach jedoch schwieriger geworden. Vermutlich, weil beide Seiten nicht mehr so ohne weiteres bereit sind, Kompromisse einzugehen und Freiheit aufzugeben.“ „Was ja prinzipiell nichts Schlechtes ist“, erwidere ich. „Schließlich sind die Möglichkeiten ja auch größer und man muss die große Liebe nicht mehr nur im Dorf nebenan suchen.“ Henrik nickt. „Ja, aber das bedeutet auch, dass man lernen muss, besser zu kommunizieren. Noch so ein Bereich, der sich stark verändert hat.“ Wie er das meint, will ich wissen.

„Mein erstes Date war eine Katastrophe. Ich zeigte mich zuvorkommend, aber rückblickend betrachtet war ich auch sehr langweilig. Durch Corona verlagerte sich mein Dating hin zu Tinder. Es fühlte sich anfangs irgendwie komisch an. Als wäre man eine Ware. Über mein erstes Match freute ich mich dann aber wie ein Schneekönig, zeigte meinen Freunden gleich ihre Fotos, schrieb einen langen Text und dann… antwortete sie nicht einmal.“ Die Absurdität dieses holprigen Einstiegs ins Online-Dating stand ihm noch immer ins Gesicht geschrieben. „Mein Ehrgeiz war damit aber geweckt. Ich googelte nach Dating-Hilfen und erkannte, dass Online-Dating eigentlich auch nichts anderes als Marketing ist. Das sollte ich doch irgendwie hinbekommen, oder?“ Ich spare mir die Antwort auf diese rhetorische Frage, denn nach seinem Handyhintergrund zu urteilen, hatte er es offensichtlich sehr gut hinbekommen. Von seinem Sperrbildschirm aus, strahlt mich seine Freundin und der gemeinsame Dackelwelpe an. Sehr süß!

Henrik fährt fort: „Mit der Zeit hatte ich immer mehr Matches und Dates. Aber es waren überwiegend enttäuschende Begegnungen. Ich traf vermehrt auf Frauen, die mir unmissverständlich klar machten, dass sie schnell schwanger werden wollten. Sie waren meist Mitte 30 und – entschuldige meine Wortwahl – hörten förmlich ihre biologische Uhr ticken. Sie arbeiteten ohne irgendeine Romantik ihren Fragenkatalog ab. Ich nannte es irgendwann Bewerbungsgespräche… das war nicht das, was ich suchte.“

Wer suchet, der findet!

Ich bin neugierig: „Was hast du denn gesucht?“ Er überlegt einen Moment, schaut in seine mittlerweile leere Kaffeetasse. „Interessante Menschen. Frauen, mit denen ich mich gut unterhalten konnte und mit denen es sich leicht anfühlte. Darum geht es doch, oder? Jemanden zu finden, der auf derselben Wellenlänge ist, wie man selbst, der dieselben Interessen hat und mit dem auch ewige Autofahrten nicht langweilig werden. Eigentlich sucht man doch nach einer Partnerin, bei der man sein kann, wie man ist. Das ist ein Wunsch, der sich von damals bis heute nicht verändert hat.“

Nun muss auch ich schmunzeln. Denn egal ob als Teenager oder mit Mitte 40: Wenn es darum geht, wie Menschen sich verhalten, wenn sie verliebt sind, macht das Alter und die Zeit, die man mit der Suche nach dem oder der Richtigen verbracht hat, absolut keinen Unterschied.

Im Endeffekt kann man schon sagen, dass sich daten nach einer langen Beziehung gar nicht so sehr von den vorsichtigen Flirtversuchen mit 16 unterscheidet. Man glaubt, dass man wissen müsste, wie all die kleinen Zeichen und Spielchen funktionieren, nur um mehrmals auf die Nase zu fallen und schließlich zu begreifen, dass ehrliche und offene Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg ist. Denn wer sich im Datingdschungel verstellt und vorgibt cooler zu sein als man eigentlich ist, der wird schnell feststellen, dass man auf diese Art eben auch nur oberflächliche Menschen kennenlernt.

Also traut euch mal was! Und keine Bilder von Jagdausflügen oder dem BMW vom besten Kumpel auf Tinder-Profilen, denn die bringen wirklich niemandem etwas. Vertraut mir.

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Bildquelle: Ba Tik von Pexels; CC0-Lizenz