Der Diderot-Effekt: Passen zu dem neuen Pulli nicht auch neue Schuhe besser?

Der Diderot-Effekt: Warum wir mehr kaufen als wir brauchen

Der Umsatz des Einzelhandels in Deutschland zur Weihnachtszeit steigt kontinuierlich an. Wurden 2014 noch 85 Milliarden Euro für das besinnliche Fest ausgegeben, so sollen es 2021 schätzungsweise fast 112 Milliarden Euro sein – eine Steigerung um rund ein Viertel, was auch die Inflation deutlich übersteigt. 

Auch, wenn an Weihnachten geshoppt wird wie zu keiner anderen Zeit im Jahr, ist der Kaufrausch kein spezifisches Phänomen im Dezember – er fängt schon beim wöchentlichen Einkauf an. Wer nicht online bestellt, sondern in den Laden geht, wird die Situation kennen. Wie oft gibt man genauso viel aus, wie man ursprünglich geplant hat? Selten – dafür sind die ganzen Regale zu verlockend. Hierfür verwenden Supermärkte allerlei psychologische Tricks wie beispielsweise die Gehrichtung. In vielen Filialen gehen Kund*innen entgegen dem Uhrzeigersinn, da Wissenschaftler*innen herausgefunden haben, dass Menschen den Lauf in diese Richtung bevorzugen.  

Ganz schlimm kann es jedoch werden, wenn eine gewisse Affinität zu Klamotten vorhanden ist. Eigentlich wollte man sich nur einen neuen Pulli für den Winter zulegen, doch dann wird man stutzig. Man verspürt plötzlich den Drang auch neue Schuhe zu kaufen – oder wo man gerade dabei ist, warum nicht gleich ein ganzes Outfit? Schließlich sollen sich die einzelnen Kleidungsstücke auch stilvoll ergänzen.

Dahinter steckt (in der Regel) keine Kaufsucht, sondern ein Phänomen der Konsumpsychologie, der Diderot-Effekt. 

Den Begriff prägte der Anthropologe Grant McCracken, der ihn erstmals in seinem Buch „Culture and Consumption“ in diesem Zusammenhang erwähnte. McCracken beriet unter anderem bereits große Firmen wie Nike oder Institutionen wie das Weiße Haus in Amerika. 

Die tragische Geschichte des Denis Diderot

Der namensgebende Denis Diderot war zu Lebzeiten Philosoph und hatte es im Alter von 52 Jahren zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht. Kaum war die Möglichkeit da, kaufte er sich eine teure und elegante scharlachrote Robe. Jedoch war sie so edel, dass Diderot keinen Zusammenhang und keine Harmonie mehr zwischen der Robe und seinen anderen Besitztümern sah. Diese Erkenntnis zwang den Philosophen dazu, immer mehr zu kaufen und zu ersetzen. Eines seiner festgehaltenen Zitate ist dabei besonders aussagekräftig. „Ich war der absolute Herr über mein altes Gewand. Ich bin der Sklave des neuen geworden.“ 

Diese lawinenartige Lust an Käufen findet sich inzwischen nicht nur bei Klamotten – fast überall greift der Diderot-Effekt. Zu einem neuen iPhone passt der neue IMac besser, das Heimkino braucht neben einem neuen Bildschirm auch eine Soundanlage, zu dem Sofa passt ein anderer Teppich besser, und so weiter. 

Der Diderot-Effekt im Online-Shopping

Während in herkömmlichen Läden, wie beispielsweise Segmüller, Räume entsprechend gestaltet werden, damit man sich mit ihnen identifiziert und mehr kaufen möchte, nutzen auch Online-Händler den Diderot-Effekt gekonnt aus. So bieten Seiten wie Zalando oder AboutYou gleich Vorschläge, welche Klamottenstücke denn zusammenpassen – manchmal kann man sogar einen ganzen Look shoppen. Durch kundebezogene Daten können diese Vorschläge noch zusätzlich individualisiert werden. 

Aus diesem Grund lohnt es sich, keine Impulskäufe zu machen. „Schlaf doch mal drüber“ mag vielleicht eine alte Leier sein, hat aber einen wahren Kern. Dadurch gewinnt man Distanz zu dem ersten Kaufimpuls und kann die eigene Entscheidung deutlich besser abwägen – und nebenbei eine ganze Menge Geld sparen. 

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Bildquelle: freestocks auf Unsplash