Esther Graf: „Mit dir schlafen“ und Liebe in der Musik

ZEITjUNG: Du hast ja das schon erwähnte Feature mit Olexesh und einen gemeinsamen Track mit den Rapperinnen Yael und Layla, Rap ist für dich also kein Neuland.

Esther Graf: Nein, absolut nicht! Ich sehe mich als Esther Graf, als Künstlerin, zwar schon eher im Pop, weil ich das, was ich mache, als Popmusik sehe: Ich liebe es, zu singen, ich mag große Hooks und ich liebe amerikanische, französische und englische Popmusik. Aber ich habe immer versucht, mir eine musikalische Bandbreite zu schaffen, sodass ich rein theoretisch mit jedem ein Feature machen kann.

Das ist auch eine Sache, die Alligatoah und mich in der Musik verbindet: Wir bewegen uns zwischen Genres. Mir ist am Ende des Tages nur wichtig, dass ich auf dem Song als Esther Graf – als die, die ich bin – repräsentiert werde.

Ich höre auch viel Rap-Musik, ich feier das und finde die Sprache oft cooler, als sie etwa im Deutsch-Pop bedient wird – auch im Rap findest du die Liebe zum Detail, wenn jede Zeile einen Sinn hat und nicht einfach so da ist. Darum bin ich zum Beispiel ein großer Shirin-David-Fan, bei ihr sehe ich das sehr stark. Klar macht das nicht jede*r Rapper*in, aber es gibt sehr viele, bei denen man den Anspruch heraushört.

ZEITjUNG: Dann kommen wir mal zurück zur Single: Der Song geht Liebe und Sexualität ganz anders an als im Hip-Hop üblich: Es geht viel um Schüchternheit und das Ringen um die richtigen Worte, weil man sein Gegenüber nicht verletzten will; die beiden Protagonisten nehmen Rücksicht aufeinander. Kommt Liebe im deutschen Rap deiner Meinung nach sonst zu kurz?

Esther Graf: Ich glaube, es geht sehr viel um Liebe, aber ich finde oft die Darstellung davon nicht richtig, beziehungsweise ungesund. Es gibt das eine Extrem, wo krass sexistische Sachen passieren, was ich überhaupt nicht schön, sondern katastrophal finde.

Das Grundproblem ist aber, wie ich finde, dass diese ungesunde, toxische Liebe so krass glorifiziert wird. Es geht sehr viel um dieses: „Du willst mich nicht, aber ich will dich genau deshalb trotzdem“ – es passiert sehr wenig auf Augenhöhe und es geht immer um Machtspielchen und Manipulation. Darum hat mich der Song von Alligatoah eben so geflasht, weil es darum geht, sich auch zurückzuhalten und auf das einzugehen, was die andere Person will. Denn am Ende ist man ja trotzdem Mensch und jeder hat so diese Gedanken, auch Frauen. In diesem Fall ist dann die Frage, wie ich das kommuniziere- Wenn ich selbst gut behandelt werden will, ist es auch selbstverständlich, dass ich andere gut behandle.

Das Problem gibt es genauso übrigens auch im Deutsch-Pop, da muss sich die Frau auch oft unterordnen. Dieser Gedanke des „Ach du, ich sitze jetzt hier und warte, bis du zurückkommst“ ist sowas von überholt.