#FragenNachZahlen mit Dariadaria: „Was ist das Peinlichste in deiner Browser-History?“

Es ist Freitag der 30. August. Wien verbrennt langsam in der Sommerhitze, ich schwitze und setze mich an einen Ecktisch. Die Cafébrennerei Franze liegt im 18. Bezirk und obwohl ich sieben Jahre lang als Piefke (= österreichisch für Deutsche) durch die Straßen der österreichischen Hauptstadt gezogen bin, habe ich es nur genau drei Mal in diesen  Bezirk geschafft. Heute bin ich dann zum vierten Mal hier und habe auch noch ein Date mit Madeleine Alizadeh, die du wahrscheinlich eher unter dem Namen Dariadaria kennst.

Von Hunden und den wirklich wichtigen Themen

Im orangefarbenen bodenlangen Kleid und viel kleiner als gedacht, kommt sie auf meinen Tisch zu. Im Schlepptau niemand geringeren als ihre Hündin Mala. Madeleine, die sich mit Maddie vorstellt, hat heute einen straffen Zeitplan und sich dennoch eine Stunde für mich Zeit genommen. Sie setzt sich mir gegenüber und studiert die Getränkekarte. Seit 4 Uhr ist sie wach, aber davon ist nichts zu spüren. Wir sprechen über Hunde, verlieren uns immer wieder in Anekdoten über unsere haarigen Mitbewohner und sudern (= österreichisch für nörgeln) über den Wiener Sommer. Nur schwer können wir uns losreißen und auf den Grund unseres Treffens konzentrieren: Maddie hat ein Buch geschrieben. Starkes weiches Herz. Wie Mut und Liebe unsere Welt verändern können heißt es, ist im Ullstein Verlag erschienen und für 18€ beim Buchdealer eurer Wahl erhältlich. Es geht um die großen Themen in Maddies Leben: Nachhaltigkeit, Selbstliebe und Gerechtigkeit. 

Vom Verlangen nach Gerechtigkeit

Maddie setzt sich ein. Sie macht sich stark für die Rechte von Tieren und Minoritäten, sowie das Einsparen von CO2. Ihre Energie scheint endlos. Ich will trotzdem wissen was ihr am Wichtigsten ist und frage nach. “Gerechtigkeit”, antwortet sie, und in unserem Gespräch entwickelt sich bei mir das Gefühl, dass sie auch eigentlich nur selbiges von ihren Followern verlangt. Sie will keine Umwelt-Diktatorin sein. Keine nach Aufmerksamkeit schreiende Instagram-Yogini. Was sie will ist Gerechtigkeit für jedes Lebewesen, sich selbst einbezogen. Zunächst muss ich innerlich schmunzeln. Gerechtigkeit ist so ein großes Wort, so ein alles und nichts beschreibender Begriff. Im Gespräch stellt sich allerdings heraus, dass sie im Alltag weitaus mehr Ungerechtigkeiten begegnet als ich. Ist sie unzufrieden mit ihrem Körper, wird sie darauf hingewiesen, dass sie dem gängigen Schönheitsideal entspräche. Deswegen solle sie doch bitte mal die Klappe halten, es gäbe schließlich Menschen, die wären wirklich hässlich. Postet sie ein Foto von ihrer Hündin (die meiner Meinung nach übrigens einen eigenen Instagram-Account verdient hätte) gibt es sofort Widerspruch überambitionierter Internet-Mobber. Schließlich brenne derzeit der Amazonas und das sei ja wohl wichtiger als ein Hundefoto. Sie berichtet sogar von Morddrohungen. Auch Vergewaltigung und Verschleppung wurde ihr schon angedroht. Im Buch schreibt sie, dass sie solche Drohungen nie in ihrem Postfach fand als sie noch über Fast Fashion und Makeup bloggte und auch während unseres Interviews kommen wir immer wieder auf diesen Widerspruch zu sprechen.

Ehrenfrau oder Hypokrit?

Maddie erzählt in unserem Gespräch vom Zwiespalt, eine Person des öffentlichen Lebens zu sein und gleichzeitig der Blitzableiter für frustrierte Trolle zu sein, die im Internet anonym agieren. Ein Spagat, der auch nach neun Jahren noch Spuren hinterlässt. Das Buch gibt Einblick in die Seele der Autorin und beschreibt gleichzeitig die großen Phänomene unserer Generation: Die Angst nicht genug zu sein. Oder allzeit bereit sein zu müssen. Sie bezeichnet Perfektionismus als “Epidemie des 21. Jahrhunderts” und stellt die Frage danach, ob Social Media Plattformen wie Instagram das Imposter Syndrom oder sogar Depressionen triggern können. Viele kennen den Druck, der sich durch tägliches Abhängen auf Instagram und Co. in einem breitmacht. Wissen, dass das Beobachten von skinny Yoginis mit Smoothie in der Hand einen toxischen Beigeschmack haben kann. Aber vielleicht tragen auch Blogger wie Dariadaria zu diesem Druck bei, stets und ständig perfekt sein zu müssen. Darf man Perfektionismus anprangern, wenn man selbst ein Teil der Maschinerie ist?

Nach dem Gespräch laufe ich durch die Hitze zur U-Bahn. Wir sollten alle viel netter zueinander sein, denke ich, während mir die U6 vor der Nase wegfährt. Vielleicht sollten wir auch alle mehr Bücher lesen und weniger häufig Bloggern die Pest an den Hals wünschen, weil sie anders leben als wir. Vielleicht auch aufhören zu denken, wir würden jemanden kennen, nur weil wir ihr oder ihm auf Instagram folgen. 

#FragenNachZahlen

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Bildquelle: Maximilian Salzer www.maximiliansalzer.com (Mehr von ihm hier: Facebook und Instagram)