Hassobjekt Bürokratie.

Hassobjekt: Bürokratie – wieso einfach, wenn’s auch kompliziert geht

Jeder kennt sie, jeder hasst sie und doch brauchen wir sie wie die Luft zum Atmen: Nervige Klientele und unnütze Gegenstände des Alltags, über die man sich so richtig schön echauffieren kann – da geht es den ZEITjUNG-Autoren nicht anders. Deshalb lassen wir unserer Wut in der Reihe „Hassobjekt“ einfach freien Lauf und geraten überspitzt in Rage. Eins ist sicher: Nichts ist uns heilig und keiner wird verschont. Dieses Mal auf der Abschussliste: Bürokratie.

„Liegt Formular 7, 48 und 87 bereit?“ Schnell checke ich meine Tasche, bevor ich mich auf den Weg zum Amt mache. ‚Alter, alleine, dass es schon 87 Formulare gibt, sollte zum Reißaus führen‘, denke ich und gehe los. Wenn es eine Sache gibt, auf die anscheinend jedes Amt der Bundesrepublik Deutschland versessen ist, dann ist es die möglichst hohe Anzahl an unterschiedlichen Formularen. BaföG-Antrag, Ummelden, Finanzamt, GEZ, Stadtwerke und Co.: Deutschland ist ein Vorort zur Hölle der Bürokratie. Hast du die Formulare korrekt ausgefüllt, hast du im Lotto gewonnen. Wenn nicht, wirst du des Landes verwiesen.

Ein Lüftchen Bürokratiemuff weht umher

Ein Besuch auf dem Kreisverwaltungsreferat (dieser Name schon…) kann sich locker auf einen mehrstündigen Aufenthalt im Wartesaal erstrecken, nur um dann zur Audienz beim Verwaltunsgangestellten gebeten zu werden und dort eine Abfuhr wegen fehlender Formulare zu erhalten. Schon beim Betreten des Gebäudes kommt uns der Bürokratiemuff entgegen. Architektonisch hat sich hier seit den frühen 80ern nichts getan, von Leitsystemen hat noch niemand was gehört und auch ein Infopoint ist weit und breit nicht zu erkennen. Stattdessen pflastern leichenblasse Teppiche die pissgelben Gänge des Bürokratielabyrinths. Anscheinend ist auch niemand für nichts zuständig und Öffnungszeiten gibt es nur von 7.30 bis 11.30 und dann einmal die Woche nachmittags von 14 bis 16 Uhr- solche Arbeitszeiten hätten wir alle gerne! Telefonische Dinge klären, kommt jedes Mal einem Riesenact gleich, denn nur Montags ist der Zuständige im Haus und ansonsten ist angeblich niemand befugt, eine Aussage zu treffen. Einmal montags keine Zeit gehabt, verschiebt sich alles um mindestens eine Woche. Willkommen in der Service-Wüste Deutschland.

Über das Internet beantragen – bist du wahnsinnig?!

Das Internet ist für Ämter immer noch „Neuland“, das sich eventuell gar nicht durchsetzt. Anders kann ich es mir im 21. Jahrhundert nicht erklären, dass diverse Anträge immer noch persönlich abgegeben werden müssen, statt sie bequem in einem Verwaltungsportal hochzuladen. Immerhin, das haben einige Ämter mittlerweile begriffen, gibt es einige Formulare nun zum Download frei verfügbar- aber auch nicht alle. Ein persönlicher Besuch auf dem Amt muss schon sein! Eigentlich kann man Anträge – egal welcher Art- auch nur falsch machen. Grundsätzlich ist nicht ersichtlich, wie ein Antrag richtig zu stellen ist. Irgendwas ist immer falsch.

Nun geht es ans Formulare ausfüllen – das ist eh so eine Sache. Die Formulare sind von solcher Wichtigkeit, dass uns beim Paper-Pen-Ausfüllen die Pumpe geht und wir vor Angst uns zu verschreiben, prompt das Geburtsdatum vergessen- ähm wie alt bin ich nochmal? Außerdem schieben wir das Ausfüllen solcher Unterlagen immer bis zum absoluten Geht-nicht-mehr auf. Denn es braucht Zeit, Nerven und vor allem die Hilfe von Mama und Papa. Drei Gehirne sollten es doch schaffen, die Formulare korrekt auszufüllen- denken wir naiv. Also marschiere ich wieder aufs Amt.

Bürokratie-Koryphäe Deutschland

Wer übrigens dort nicht funktioniert, hat Pech gehabt. Angeraunzt und in die Ecke gestellt- so geht man mit Leuten um, die im Dschungel der Bürokratie nicht durchblicken. Während ich also eingeschüchtert die Woche drauf wieder erscheine, um meinen Pass abzuholen – ich hatte gewagt aufzukreuzen ohne vorher zu checken, ob mein Pass schon fertig gedruckt wurde, der Blick der Beamtin war unbezahlbar, als hätte ihr vor ihren Augen Babykaninchen ermordet – sitze ich kleinlaut auf dem Stuhl und schaue alle 10 Sekunden auf die Warteanzeige, ob meine Nummer nicht doch schon aufgerufen wurde. Während ich also warte, überlege ich wie dieser ganze Zirkus für Menschen sein muss, die deutsch nicht oder nur mäßig verstehen. Ich verstehe ja schon nichts und ich beherrsche die Sprache. Ich habe Mitleid mit allen, die dem Ganzen noch mehr ausgeliefert sind als ich. Schließlich ist die Ausländerbehörde auch ein Amt und eine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis gibts auch nur über dieses. Eigentlich ist das Amt das Erste, was zugezogene Ausländer an Deutschland kennen lernen. – Traurig, aber ein sehr ehrlicher erster Eindruck von der Bürokratie-Koryphäe Deutschland.

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Bildquelle: Pexels mit CCO Lizenz.