Darum bekommt Hollywood keine Gesellschaftskritik auf die Reihe

Mit zweierlei Maß messen

Überraschung, Frauen sind genauso Menschen wie Männer! Das bedeutet auch, dass sie genauso fehlbar sind, die gleichen Emotionen fühlen und dieselben Fehler machen können. Für Gewalt gibt es immer irgendwelche Gründe, ja. Aber die Entscheidung, Gewalt anzuwenden, ist in den allermeisten Fällen trotzdem verwerflich (eine Ausnahme bildet natürlich die Notwehr) – egal, von welchem Geschlecht sie ausgeübt wird und an wen sie gerichtet ist.

Natürlich fühlen sich also ich und sicher auch viele andere Kinogänger*innen vor den Kopf gestoßen, wenn das Ergebnis des Films lautet: „Da sind die Männer selbst schuld dran, sie hatte keine andere Wahl“. Toxischer Männlichkeit zugesprochenes Verhalten sollte nicht okay sein, nur weil es nun die „emanzipierte, starke Frau“ ist, die dieses Verhalten äußert. Klar ist eine Captain Marvel stark und selbstbestimmt. Diese Stärke lässt sie aber auch an Schwächeren aus, wenn es ihr nutzt oder ihr Ego verletzt wurde – ohne Konsequenzen und ohne Zurückhaltung. Dennoch wird sie als Vorbild gehandelt und Hollywood lässt sich dafür noch feiern.

„Der Erfolg steht uns doch zu!“

Nein, tut er nicht. Niemand ist dazu verpflichtet, sich einen Film anzuschauen, nur weil er sich mit aktuellen Gesellschaftsthemen auseinandersetzt. Wenn ich dann noch bemerke, dass der Film in sich einfach nicht stimmig ist und mir fragwürdige Personen als Vorbilder präsentiert werden, dann ist jegliche enthaltene Gesellschaftskritik im besten Fall ein schlechter Witz, im schlimmsten Fall ist sie geschmacklos oder sogar verletzend.

Das bedeutet nicht, dass ein Film mit Botschaft nicht auch unterhaltsam, fantastisch und erfolgreich sein kann: „District 9“ schaffte es etwa, gleichzeitig ein spannender, brutaler Actionfilm mit Aliens und eine eindrucksvolle, zu Tränen rührende Parabel für die Apartheid in Südafrika zu sein. Der Film hat weltweit übrigens mehr als 204 Millionen US-Dollar und damit fast das Siebenfache seiner Produktionskosten eingespielt und ich bezweifle sehr, dass das Publikum von vor zehn Jahren heute keinen Bock mehr auf Kino hat.

Ich bin kein Experte für die Geschehnisse hinter den Kulissen solcher oder irgendwelcher anderen Filme, doch eines kann sogar ich als Laie sagen: Solange sich Hollywood aufmerksamkeitsgeil auf die eigene Schulter klopft, wenn es nur oft genug Frauen ins Zentrum stellt, von denen es uns sagt, dass sie stark sind, werden wirklich starke Frauen im Kino nicht zur Normalität. Damit meine ich Frauen, deren Persönlichkeit nicht aus jenen toxischen Eigenschaften zusammengewürfelt ist, die wir bei Männern zurecht kritisieren würden.

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Bildquelle: Pixabay; CC0-Lizenz