Zwei Menschen in Ponchos vor einem Berg

Fütterer is(s)t anders: Drei Veganer*innen-Klischees – und was ich über sie denke

Hipster

Der tätowierte Berliner Start-Up-Gründer mit Bart und Dutt schlürft seinen Flat White NATÜRLICH mit Hafermilch statt mit Kuhmilch. Er ist schließlich en vogue, genau wie sein Flannelhemd aus dem Second-Hand-Store. Ich gebe zu: Dieses Klischee wurde mir sehr häufig bestätigt. Ob aus Interesse, Coolness oder um bloß nicht dem Mainstream zu entsprechen: Als vegan vor einigen Jahren zum „Trend“ erklärt wurde, sind viele junge Menschen auf den Zug aufgesprungen – insbesondere in den Großstädten. Man hat schließlich einen Ruf zu verlieren: Wenn alle um einen herum plötzlich nur noch Avocadobrot und Chili sin Carne essen, kann man sich natürlich auch leicht unter Druck gesetzt fühlen.

Trends kommen und gehen. Für viele war die vegane Phase schnell wieder erledigt, als die ketogene Ernährung und Paleo-Diät in der Szene Einzug hielten. Sollte man Möchtegern-Veganer*innen und Food-Trends darum verfluchen oder belächeln? Ich finde: nein. Es ist gut, dass durch den Vegan-Hype das Bewusstsein für vegane Ernährung gestiegen ist. Für viele bieten Ernährungs-Trends den Einstieg dafür, sich mit ihrer Ernährung und ihrem Konsum auseinanderzusetzen. Mittlerweile gibt es kaum noch Restaurants oder Cafés ohne vegane Optionen. Nicht nur in Großstädten, sondern auch in den ländlichen Regionen ist vegane Ernährung längst angekommen. Zwar werden dort die veganen Hafermilch-Hipster meist als abgehobene Marsmenschen abgestempelt, aber auch hier ist das Bewusstsein für Veganismus gestiegen.

Ökos

Mein Lieblingsklischee! Veganer*innen sind Naturmenschen, die in einer Jurte leben, nur barfuß rumlaufen, selbstgebatikte Haremshosen tragen und sich selbstversorgen. Auch, wenn diese Vorstellung mittlerweile echtes Trend-Potential hat: Auf 99,99 Prozent der Fälle trifft sie nicht zu. Zwar sind vegane Ernährung, Nachhaltigkeit und Umwelt eng miteinander verflochten. Das heißt aber nicht, dass man nur biologische Produkte kaufen – oder selbst anbauen – muss, um sich vegan zu ernähren. Oder dass man sein komplettes Leben auf den Kopf stellen muss, um Änderungen in seiner Ernährung vorzunehmen. Es wäre schade, wenn du veganer Ernährung aus dieser Vorstellung heraus keine Chance geben würdest.

Vegane Ernährung bedeutet lediglich, keine Tierprodukte zu essen. Dafür müssen die Lebensmittel weder ökologisch, noch aus dem eigenen Garten stammen. Ich kann mich auch vegan ernähren und meine Lebensmittel bei Aldi kaufen. Oder bei Zara einkaufen. Jeder legt seinen eigenen Fokus auf das, was ihm wichtig ist. Die einen verzichten auf Tierprodukte, da sie Mitleid mit den Tieren haben. Anderen liegt vielleicht das Thema nachhaltiger Konsum mehr am Herzen und sie achten beim Einkauf auf fair produzierte Produkte und unverpackte und regionale Lebensmittel, essen dafür aber Käse und Eier. So what? Ich finde es wichtig, überhaupt damit anzufangen, sein Konsumverhalten zu reflektieren. Wenn du es schaffst, vegan, regional, nachhaltig, bio und unverpackt in deiner Ernährung unter einen Hut zu bekommen: Respekt! Ich selbst versuche immer, bestmögliche Entscheidungen bei meinen Einkäufen zu treffen. Ich weiß aber auch, dass da noch sehr viel Luft nach oben ist.

Gehe deinen eigenen Weg

Wir können nicht alle Veganer*innen über einen Kamm scheren: Es gibt vegane Dogmatiker*innen, es gibt vegane Hippies, es gibt vegane Ökos. Das bedeutet aber nicht, dass alle so sind oder du auch so sein müsstest, wenn du deine Ernährung umstellst. Ich finde es schade, wenn du dich durch solche Begegnungen oder andere Klischeevorstellungen davon abschrecken lässt, dir eine eigene Meinung zum Thema Veganismus zu bilden. Veganismus ist ein riesiges Feld und die vegane Ernährung nur ein kleiner Teil davon. Also taste dich am besten in kleinen Schritten ran. Mach‘ deine eigenen Erfahrungen und gehe deinen eigenen Weg – egal, ob mit oder ohne gebatikter Haremshose.

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Bildquelle: Troy Ozuna on Unsplash; CC0-Lizenz