Party

„Keiner hat mehr Bock auf Kiffen, Saufen, Feiern“

Was ich mit 16 für einen schlechten Scherz von Marteria gehalten habe, entpuppt sich mittlerweile als bittere Wahrheit. Die meisten Freund*innen gehen nicht mehr steil, sondern früh ins Bett. Ein Plädoyer dafür, wieder mehr an heute und weniger an morgen zu denken.

„Früher an später denken“ ist der Werbeslogan der DVAG. Was auch genauso klingt wie der Slogan einer Vermögensberatung, scheint mittlerweile schon in den Zwanzigern zum Lebensmotto von zuvor feierwütigen Freund*innen geworden zu sein.

Anstatt raus- und abzugehen, bleiben sie mittlerweile mit ihrem Schatz zu Hause, um die gemeinsame Wohnung fertig einzurichten und sich zur Krönung des Abends und dessen, was von ihrem Sexleben übriggeblieben ist, Fifty Shades of Grey anzusehen.

Ich erinnere mich nur zu gerne an die Zeiten des gemeinsamen Betrinkens im Park oder am See mit 16 zurück. Oder an die zehn Tequila-Shots an der Bar des schäbigen Clubs mit 18. Oder an die erbitterten Kämpfe um den Sieg beim Flunky Ball oder Bierpong auf den WG-Partys mit 20.

Wie oft bin ich noch vor zwei oder drei Jahren nach einer verrückten Nacht mit meinen Freund*innen morgens durch die Straßen meines Viertels gelaufen und habe versucht, den Heimweg zu finden?

Wie oft bin ich vor zwei oder drei Jahren zwar nicht im Straßengraben gelandet, aber dafür am nächsten Tag mit Kratzern und Wunden aufgewacht, von denen ich erst keine Ahnung hatte, woher sie kommen – um mich ein paar Stunden später wieder daran zu erinnern, wie ich in der Nacht über eine Mauer geklettert, durchs Gebüsch gerannt bin oder mich auf der Schaukel oder Drehscheibe von einem Spielplatz verletzt habe?

Anstatt sich nicht dafür zu interessieren, was am Tag danach passiert, gehen meine Freund*innen mittlerweile früh nach Hause (falls sie sich überhaupt dafür begeistern lassen, in eine Bar, in einen Club oder auch nur auf eine WG-Party zu gehen), damit sie am nächsten Tag fit sind. Statt Auskatern, (veganem) Fleischsalat zum Frühstück, Konterbier und Trash-TV steht Pflanzengießen und Selbstoptimierung auf dem Plan. Der Healthy Lifestyle hat meine Freund*innen für sich eingenommen und mich (fast) allein zurückgelassen. Selbst die Unvernünftigsten sind zumindest vernünftiger geworden als früher.

Anstatt am nächsten Morgen aufzuwachen und in der Hoffnung, nicht kotzen zu müssen, zum Wasserhahn zu laufen, hüpfen sie heutzutage putzmunter um 9 Uhr morgens aus ihrem Bett. Während früher gar nicht daran zu denken gewesen wäre, Tageslicht ins Zimmer zu lassen und der erste Schritt vor die Tür 17 Uhr gesetzt wurde, um sich eine Runde ins Gras im Park um die Ecke zu legen, sind sie heute um 10 Uhr auf den Beinen und befinden sich auf dem Weg zu einem hippen Markt.

Und noch viel schlimmer: Sie haben plötzlich Verpflichtungen. Nicht nur diejenigen unter ihnen, die ernstzunehmende Jobs haben, sondern auch die Student*innen. „Ich hab noch so viel für die Uni zu tun“, heißt es mittlerweile. Ach ja? Früher waren dir deine Prüfungen doch auch egal. Also was soll das alles jetzt?

„Man muss ja nicht immer so übertreiben“, sagen sie. Stimmt, muss man nicht. Zumindest nicht immer. Aber manchmal wäre es schon ganz cool. Also kriegt verdammt nochmal euren Arsch wieder hoch!

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Bildquelle: Wendy Wei via Pexels, CC0-Lizenz