Räume machen Leute? Wie städtische Orte soziale Ungleichheit reproduzieren
Männer- und Frauen-Orte?
Ebenfalls in urbanen Raumstrukturen widergespiegelt und von diesen beeinflusst sind Geschlechterverhältnisse. Noch heute werden manche Orte mit Männlichkeit und andere mit Weiblichkeit assoziiert. Dahinter steht die Vorstellung, dass Orte aufgrund verschiedener Charakteristika für Männer bzw. Frauen geeignet oder eben ungeeignet sind.
Allein der Begriff „Frauen-Angsträume“ impliziert, dass die Problematik einerseits mit dem Frausein an sich und andererseits mit bestimmten Räumen zu tun habe und nicht etwa mit gesellschaftlichen Machtstrukturen.
Die dafür verantwortlich gemachten Eigenschaften eines Raumes sind aber nicht einfach naturgegeben und müssen auch nicht akzeptiert werden. Der städtische Raum ist ein gesellschaftliches Produkt und verleiht bereits vorhandenen sozialen Machtverhältnissen Ausdruck. Die räumliche Organisation des Geschlechterverhältnisses kommt vor allem von der räumlichen Trennung von (bezahlter, männlicher) Lohn- vs. (unbezahlter, weiblicher) Haushaltsarbeit, die es so vor allem seit der Industrialisierung gibt. Seither wurde und wird zum Teil noch immer das Weibliche mit häuslichen Privaträumen und das Männliche mit öffentlichen Räumen assoziiert. Diese Abgrenzung hat ganz konkrete Auswirkungen auf unsere Lebensrealitäten: Gerade im suburbanen und ländlichen Raum werden Frauen auf diese Weise deutlich in ihrer Mobilität eingeschränkt und so zum Teil von sozialen und Entfaltungsmöglichkeiten ausgegrenzt. Im städtischen Raum können sich Frauen bzw. weiblich gelesene Personen vor allem nachts nicht so (angst-)frei bewegen wie Männer, was sie in ihrer Selbstständigkeit und Mobilität erheblich einschränkt. Maßnahmen wie Frauenparkplätze oder Heimwegtelefone können zwar hilfreich sein, wirken aber lediglich symptombekämpfend und verstärken noch die Vorstellungen, die Sicherheitsprobleme lägen am Frausein oder den Orten selbst. Außerdem reflektiert diese Dichotomie eine klare Hierarchie zwischen den Geschlechtern und normalisiert sie.
Zum Glück hat sich diesbezüglich in den letzten Jahrzehnten einiges getan und es hat sich gezeigt: Strukturen und Raumkategorien sind durchaus veränderbar und flexibel. Heute sind auch Frauen berufstätig und (fast) genauso wie Männer im öffentlichen Raum unterwegs. Überwunden sind geschlechtsspezifische Raumkategorien aber noch lange nicht. Dafür müssen wir erst einsehen, dass soziale Machtstrukturen das Problem sind und nicht die Orte per se.
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