Jogger beim Laufen

Seitenwechsel: Joggen gehen? Einfach loslaufen!

In seiner Kolumne Seitenwechsel betrachtet unser Autor Paul aus einer politischen und kulturellen Perspektive die aktuelle Welt des Sports. Er blickt dabei weit über die Faszination des reinen Wettkampfes hinaus: Vom kommerzialisierten Profisport, über ehrenamtliche Vereinsarbeit, bis hin zum Fußballstammtisch in der Kneipe zieht er Rückschlüsse auf gesamtgesellschaftliche Phänomene, geprägt von seinen eigenen Erfahrungen.

Ich liege auf dem Bett und die Sonne scheint durch mein Fenster. Der Himmel reißt auf und plötzlich packt mich die Motivation: Motivation nach draußen zu gehen und mich zu bewegen. Also stehe ich auf, ziehe mir meine Sportschuhe an, schnappe mir meine Kopfhörer und laufe los.

Ich spüre die kalte frische Luft, gleichzeitig die Sonne im Gesicht und das warm strömende Blut in meinem Körper. Ich denke nicht darüber nach, wie schnell ich laufen will und wo lang, ich lasse mich einfach treiben. Biege da ab, wo es nett aussieht: vorbei an schönen Häusern, kleinen Parks und am Rhein. Das Laufen ist nicht anstrengend, vielmehr fühle ich mich schwerelos und bewege mich scheinbar ohne etwas tun zu müssen und mit großer Leichtigkeit. Meine Gedanken kreisen um die Menschen, die mir begegnen, um die Musik auf meinen Ohren – eigentlich um alles außer die Tatsache, dass ich gerade Sport mache: kein Blick auf die Uhr, keine Analyse des Laufstils und keine kontrollierte Atmung.

Kommt man einmal in so einen Flow, fühlt es sich an, als könnte man unendlich lange laufen. Mit jedem Abbiegen laufe ich weiter von zu Hause weg, möchte nicht, dass dieses Freiheitsgefühl endet. Denn ich weiß: Nicht immer fühlt man sich beim Sport so gut. Jeder kennt Situationen, in denen man sich zwingen muss, endlich Sport zu machen. Jeder einzelne Schritt scheint unfassbar anstrengend zu sein. Hin und wieder aber ist das anders – so wie heute.

Dann kommen alle Vorzüge des Laufens zum Tragen. Es bedarf keiner Planung, keiner bestimmten Zeit und keiner aufwendigen Ausrüstung, nicht mal einem Ball. Im Zweifel braucht man nicht einmal Schuhe, wenn man zum Beispiel im Urlaub am Strand entlangläuft. Das ist dann Sport in Reinform: nur der eigene Körper und die frische Luft. Die eigenen Beine, die einen fortbewegen und so viel entdecken lassen. Joggen ist jederzeit und überall möglich und langweilig ist es trotzdem nicht – im Gegenteil. Läuft man befreit und mit offenen Augen, machen die Entdeckungen, Gedanken und Gefühle das Laufen zu einer der interessantesten und wohltuendsten Sportarten.

Immer noch verloren in Gedanken und der Musik auf meinen Ohren komme ich irgendwann wieder zu Hause an. Als ich vor der Türe stehe, bin ich geschafft, aber glücklich. Ohne dass ich es gemerkt habe, hat mein Handy den Lauf getrackt. Die Route verläuft kreuz und quer und die Kilometerzeiten weichen stark voneinander ab, am Ende aber war es dennoch eine beachtliche Strecke. Ich habe Sport gemacht, ohne dass ich es vorhatte. Während andere trainieren und joggen gehen, bin ich einfach losgelaufen. Besser geht es doch gar nicht.

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Bildquelle: Andre Morgan via Pexels; CCO-Lizenz