Sex, Love and Rock `n` Roll: Was Konzertnächte so besonders macht

Wir sind in der Muffathalle irgendwo inmitten der vielen Menschen. Aber eigentlich ist es egal, von wo aus man auf die Bühne schaut, denn die Sicht ist von überall aus gut. Den Anfang machen die Lime Cordiales, mit Trompete und Posaune spielen sie absolut verrückte Lieder. Ich fühle mich in die 60er zurückversetzt, in die Zeit von Elvis und Co. Bunte Kleidung, lange blonde Haare und einen Schnurri, die Stimmung hier ist gut, sehr gut. Danach kommt der main act, die Leoniden. Sie schließen da an, wo die Lime Cordiales aufgehört haben. Die Blasinstrumente werden von wildem Trommelwirbel abgelöst.

Ich hatte keine Erwartungen an den Abend. Ich kannte die Leoniden kaum und das, was ich auf Spotify von ihnen gehört habe, war okay, aber es hat mich nicht umgehauen. Live sieht die ganze Sache jedoch schon ganz anders aus. Die Musik ist eine vollkommen andere, irgendwie greifbarer, lebendiger. Vielleicht war es die geringe Erwartungshaltung, dieses „etwas einfach mal auf sich zukommen zu lassen“, was den Abend für uns so besonders gemacht hat. Wir hatten so gute Laune, der ganze Abend hat sich wie eine einzige, riesige Party angefühlt.

Livemusik ist anders

Live ist die Musik anders, sie hat einen Raum, in dem sie sich ausdehnen kann, ein Publikum, das dazu wippt, tanz und abgeht. Der gesamte Ort ist spürbar, die Vibration des Bodens, wenn die Leute mit den Füßen stampfen. Die vielen Hände, die über uns in die Luft ragen, überall lachende Gesichter. Hier findet das Leben statt, das Herz schlägt mit dem Bass. Die Bühne strahlt in hellem, buntem Licht. Inmitten der Leute und umgeben von dieser eigenartigen Musik, die zeitweise an eine Unterwasserwelt erinnert und dann wieder futuristisch nach Weltraum, fühle ich mich lebendig.

Was ein gutes Konzert ausmacht

Für mich ist es das dritte Konzert in diesem Jahr. Insgesamt war ich damit schon bei neun Konzerten. Zu fast jeder Band, gibt es auch immer eine Vorband, das macht achtzehn Acts, die ich in den letzten Jahren live gesehen habe. Von Rock, über Pop bis Indie war alles dabei. Von weltbekannt zu Newcomern. Doch die besten Konzerte, die mir in Erinnerung geblieben sind, waren die eher kleineren, mit Bands, die gerade erst dabei sind, bekannt zu werden. Ich möchte im Folgenden ein paar Kriterien heranführen, was für mich ein gutes Konzert ausmacht.

Meiner Erfahrung nach, sind vor allem Newcomer immer sehr bemüht und haben noch mega bock auf der Bühne zu stehen. Sie sprühen nur so voller Energie. Bands, die das schon länger machen, hatte ich ausgebrannter in Erinnerung. Ein weiterer Vorteil bei unbekannteren Bands ist, dass man, wenn man mag, ganz nach vorne kommt, und wirklich etwas sieht. Es ist einfach mitreißend, wenn man den Ausdruck in den Gesichtern sieht, das Leuchten in den Augen.

Ein weiteres Kriterium ist die Anzahl der Bandmitglieder. Je größer die Band ist, desto mehr kann passieren, umso mehr Möglichkeiten haben sie, allein schon, was die Auswahl der Instrumente angeht. Wo wir schon beim dritten Punkt wären.

Ich mag Livekonzerte, bei denen nicht nur die Standardinstrumente zum Zug kommen, sondern wo viel Variation möglich ist. Die Lumineers beispielsweise klingen auf Spotify eher ruhig. Live geht’s da oben aber richtig zu Sache, hier eine Harfe, dort ein Pianist, der sich halb verrenkt, während er wie wild in die Tasten haut.

Dank den Giant Rooks und den Leoniden habe ich hautnah miterleben dürfen, was so eine einfache Trommel hermachen kann. Trommelsolo here you go. Und die Lime Cordiales, die für mich generell die größte Liveüberraschung waren, haben mit ihren zahlreichen Blasinstrumenten jeden vorhandenen Musikstil gesprengt.

Livekonzerte vor und nach Corona

Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich älter geworden bin, oder daran, dass der kulturelle Betrieb zwei Jahre auf Eis gelegt war. Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass ich Konzerte nun noch mehr genieße und wertschätze. Es ist eine neue alte Liebe, eine Flamme, die von Act zu Act immer wieder neu entfacht wird. Livekonzerte sind spontan, echt und irgendwie fassbarer. Nach dieser langen Durststrecke sind sie ein Ventil einmal wieder laut und schrill zu sein, den Alltag einen Abend lang hinter sich zu lassen.

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Bildquelle: pexels, CC0-Lizenz