The Last Duel: Beängstigend aktuell?

Während Frauen die Art, wie in der Öffentlichkeit und auch im Rechtssystem mit dem Straftatbestand von Vergewaltigungen umgegangen wird, anklagen, ist es für Männer nur schockierend, wenn es sich um eine nahe Familienangehörige handelt. Sätze wie: „Es könnte auch deine Mutter/Schwester/Tochter sein!“ sind leider keine Lösung des Konflikts, sondern unterstreichen lediglich eine patriarchale Denkweise.

Solange Vergewaltigungen und sexuelle Belästigungen für Männer nur ein Problem sind, wenn es sich um die eigene Freundin handelt, geht es mehr um Besitz als um Körperverletzung. Das klingt wie „Keiner darf meine kleine Schwester hauen, außer ich!“ und endet darin, dass Frauen nur gecatcalled werden, wenn kein Mann dabei ist, dem sie vermeintlich gehören.  

So schockiert man über die klare Deklarierung der Frau als Eigentum des Mannes im Film auch sein kann, so deutlich macht diese Empörung auch heutige Missstände.

Es bleibt nicht bei diesem einen Aha-Moment.

Im Laufe des Prozesses wird Marguerite mehrmals gefragt, ob sie sich sicher sei, dass sie Jacques nicht provoziert hätte. Halte sie ihn nicht für attraktiv? Auch Jacques Aussage, er hätte eine Vergewaltigung doch gar nicht nötig, schließlich habe er genug Angebote von anderen Frauen, scheint bei vielen Schöffen mehr zu gelten als Marguerites Leid.  

Es ist ein Trauerspiel.

Und noch etwas ließ mich fast aus meinem Sitz kippen: Nicht einmal die Frauen schenkten Marguerite Glauben. Denn Vergewaltigungen seien „normal“ und sollten auch so gehandhabt werden. Sie lägen im Naturell des Mannes und würden einfach hin und wieder passieren. Eine Einstellung, der wir in abgeminderter Form auch heute noch begegnen. Das Narrativ von „So sind Jungs halt“ ist noch lange nicht ausgestorben. Allein die Tatsache, dass die Anzahl von Sexualpartner*innen Männer zu Helden und Frauen zu Huren macht, ist mehr als problematisch. In der damaligen Zeit war es verdammt schwer für Frauen, für ihre Rechte einzustehen. Ein Gerichtsverfahren über das Unrecht, welches einer Frau angetan wurde, war eine Zeitverschwendung für den Mann, nichts weiter. Das muss schließlich auch Marguerite einsehen. Denn ein Schöffe macht ihr unmissverständlich klar, dass sie eine Falschaussage auf den Scheiterhaufen bringen und ihren Mann ebenfalls sein Leben kosten könne. Gar nicht so weit entfernt von heute, wo bei der Berichterstattung über angebliche Vergewaltigungen meist erst über die Folgen für den Ruf des Mannes gesprochen wird, bevor die psychische und physische Gesundheit der Frau ins Rampenlicht tritt.