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Von wegen „zu alt dafür“: Ein Plädoyer für den Urlaub mit der Familie

Wir sind 20 Jahre alt und scheinbar nun erwachsen. Zumindest ist es das, was von uns erwartet wird – oder was wir von uns selbst erwarten. Erwachsen werden bedeutet, sich abnabeln und seine eigenen Wege gehen. Das Abnabeln bezieht sich hierbei scheinbar nicht nur auf finanzielle Angelegenheiten, sondern auch auf die Vorstellung von Urlaub und Freizeit. Auf gut Deutsch bedeutet Erwachsensein nichts anderes als: weg vom Geldbeutel der Eltern, rein in die eigene Wohnung und erst mal keinen gemeinsamen Urlaub mehr. Wir sind nun „frei“ und nicht nur wir, sondern auch unsere Reisevorstellungen haben sich in den vergangenen Jahren drastisch verändert. Wir haben gemeinsame Flüge mit der Familie durch Trampen mit Fremden ersetzt. Das All-Inclusive Familienhotel wurde durch Rucksäcke und Schlafsaal im Hostel eingetauscht. An die Stelle von Strand und Meer rutschen Dschungel, Städte- und Roadtrips, die wir selbstständig planen und feiern. All das geht selbstverständlich keineswegs mit den Familienangehörigen.

Der Familienurlaub kommt mit spätestens 20 Jahren nicht mehr infrage. Wenn aus einem „müssen“ ein „dürfen“ wird, ist es scheinbar uninteressant für uns. Wie gerne unsere Eltern genau in diesem Alter mit uns verreisen würden und wie viel Spaß das tatsächlich machen kann, vergisst man auf seiner Backpacktour im tiefen Dschungel allerdings gerne. Wieso sollte man auf seiner Reise zu sich selbst auch an andere denken? Genau an dieser Stelle scheint ein kurzer Flashback in Kindeszeiten genau angebracht. In diesen Zeiten waren die Familienurlaube nämlich noch ziemlich cool.

 

Die zwei Seiten des Familienurlaubs

 

Der erste Urlaub war ein inneres Freudenfest – zumindest für uns. Die Planung schien für uns Kinder nur daraus zu bestehen, sich seiner Vorfreude hinzugeben und die Eltern mit Fragen zu löchern. Die Fragestunde hörte sich dabei meistens so an: „Wann fliegen wir? Wie lange fliegen wir? Gibt es da andere Kinder? Darf ich meine Freundin mitnehmen? Wieso denn nicht? Maaaaannoo.“ Nachdem wir uns wieder der guten Laune zugewandt hatten, konnten wir es erneut kaum erwarten, im Sand zu spielen, den Animateuren auf die Nerven zu gehen und in der Kinderdisko das Tanzbein zu schwingen. Von Stress war in unseren Gesichtern nichts zu sehen.

Für unsere Eltern war das mit Sicherheit alles andere als stressfrei, denn ein Familienurlaub benötigt eine sorgfältige Planung. Das ging schon bei der Hotelauswahl los und zog sich weiter über die Anzahl von Pools und Rutschen bis hin zu den von Animateuren betreuten Freizeitaktivitäten. Kaum war das Reiseziel erreicht, ging der Stress bereits los. Streitereien um die Luftmatratze, die Unfähigkeit vieler Kinder, sich mit sich selbst zu beschäftigen und das ständige Aufpassen, dass kein Kind plötzlich ertrinkt, machten den Eltern den Familienurlaub zu einer wahren Nervenprobe.

 

Hat der Familienspaß ein Ablaufdatum?

 

Während der Sommerurlaub für uns Kinder immer ein großes Highlight war, wartete unsere Eltern vermutlich all die Jahre sehnsüchtig auf den Tag, an dem auch sie eine solche Reise endlich genießen können. Darauf sollten sie sich allerdings nicht zu lange freuen, denn Sätze wie „Ich bin nun zu alt für Familienurlaube“ zerstören ihre Hoffnungen. Soll es das also schon gewesen sein? 18 Jahre Highlife für uns und dann ist es vorbei? Es ist wohl allmählich an der Zeit, diese Aussagen genau an ihrem Knackpunkt zu brechen und dem Familienurlaub seinen wahren Wert zurückzugeben. Wer nämlich denkt, dass ein Urlaub mit der Familie im „hohen Alter“ nur halb so lustig, schön und verrückt sein kann wie die Selbstfindungsreise oder die Backpacktour, der irrt gewaltig.

Unsere Eltern brauchen keine teuren Geschenke oder ab und an einen selbst gebackenen Kuchen als Geburtstagsüberraschung. Sie möchten nur zwei Dinge: Zeit mit uns und uns kennenlernen – in der Rolle des Erwachsenen. Genau das können wir ihnen mit einem Familienurlaub geben und uns dabei selbst ganz neu entdecken. Eigentlich gibt es doch so viele Fragen, die sich all die Jahre angesammelt haben und auf die nur unsere Eltern die richtige Antwort haben.

 

Deep Talk, Strand und Familie kann so schön sein…

 

Ein kleiner Familientrip schweißt zusammen und je älter man wird, desto schöner kann eine solche Reise werden. Die Rollen haben sich im Laufe der Jahre verändert und wir stehen nun als Erwachsene vor unseren Eltern und können auf Augenhöhe mit ihnen über all das sprechen, was uns bewegt. Wir holen uns Ratschläge ein und werden ebenfalls nach solchen gefragt. Wir lassen uns nicht mehr abschütteln, weil wir für manche Geschichten „zu klein“ sind, denn wir sind neugierig. Und unsere Eltern sind es sowieso. Sie möchten teilhaben an unserem Leben, mit uns lachen und endlich auch einmal Inhalt einer verrückten Reisegeschichte sein, die wir nach der Rückkehr unseren Freunde erzählen.

So gesehen enthält eine Reise mit der Familie genau die Komponenten, die für einen schönen Urlaub wichtig sind: Die Distanz von Arbeit und Stress, die Verbindung zur Heimat durch das Familienumfeld und die enge Bindung, von der die ganze Familie nach solch einem Urlaub profitieren wird. All das könnte vielleicht ab und an eine bessere Reise zu sich selbst sein als die Reise in den tiefen Dschungel.

Der Familienurlaub hat somit keine Altersbeschränkung und wird mit dem Alter nur umso schöner. Wer noch daran zweifelt, der sollte dringend einige Deep Talks mit seinen Eltern und einem Glas Wein nachholen – es ist jede Minute wert.

 

Bildquelle: Natalya Zaritskaya mit CC0-Lizenz

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