Junge Frau macht Yoga an einem See

Hassobjekt: Frühaufsteher und andere Vorzeigemenschen

Derartige Menschen fallen in dieselbe Kategorie wie diejenigen, die andere ständig beinahe neurotisch danach fragen, ob sie denn schon etwas für ihre Hausarbeit gemacht haben, wie weit sie denn gekommen seien und ob sie einen „produktiven“ Tag hatten.

Und hier sind wir beim Knackpunkt: Produktivität – das Leitmotiv des Denkens und Handelns aller Frühaufsteher*innen, die nicht gezwungenermaßen, sondern auf vollkommen freiwilliger Basis zu dem geworden sind, was sie heute eben sind.

Ich meine, im Ernst: Wo bleiben da die Partys, die stundenlangen nächtlichen Gespräche mit Freund*innen und die Spieleabende, die eigentlich nur ein paar Stunden dauern sollten, aber schließlich doch in nächtlichen Bierpong-Eskapaden enden? Wo bleibt der Spaß am Leben, wenn man alles unter das Leitmotiv der Produktivität stellt, für die es (zumindest bei den meisten Student*innen) in diesem übertriebenen Ausmaß genau genommen nicht einmal einen besonders guten Grund gibt?

Und selbst wenn es den gäbe: Das überlegene, selbstgefällige, leicht sadistische Grinsen, das Frühaufsteher*innen im Gesicht tragen, wenn sie anderen davon erzählen, wie früh sie heute aufgestanden sind und was sie schon alles geschafft haben, sorgt dafür, dass mir mein Frühstück (das ich selbstverständlich um 10 anstatt um 7 Uhr zu mir genommen habe) wieder hochkommt.

Denn Arroganz muss man sich leisten können. Das heißt, wenn man sich schon für die bessere Sorte Mensch hält, sollte man zumindest gute Gründe dafür haben. Die gibt es aber nicht, denn wenn ich um 10 aufstehe, kann ich doch zumindest theoretisch genauso „produktiv“ sein, indem ich noch zu Uhrzeiten arbeite, zu denen Frühaufsteher*innen schon selig schlafend im Bettchen liegen, damit sie am nächsten Tag wieder früh aufstehen können.

Die Sache ist nur, dass ich weniger Wert auf Produktivität und Selbstdarstellung lege als auf Spaß am und im Leben. Der einzig gute Grund, zu einer Uhrzeit wach zu sein, in der die Lichtverhältnisse draußen noch viel mehr denen der Nacht als denen des Tages ähneln, ist, dass man auf einer guten Party zu Gast war – und anschließend bis in den Mittag hinein seinen Rausch ausschläft.  

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Bildquelle: olia danilevich on Pexels; CCO-Lizenz