Warum wollen manche Frauen eine Beziehung zu einem verurteilten Mörder unterhalten? Bild: Pexels

Hybristophilie: Wenn Frauen Mörder lieben

Doch worum handelt es sich dann?

Zunächst sollte gesagt werden, dass das Krankheitsbild der Hybristophilie ein weibliches ist. Zumindest wurde es bisher lediglich bei Frauen festgestellt. Es scheint sich um eine Mischung aus Fetisch, Helfersyndrom und exzessiver Schwärmerei, gepaart mit einem hohen Kontrollzwang zu handeln. Darüber hinaus ist die sexuelle Neigung jedoch kaum erforscht. In Interviews mit Frauen, die sich als hybristophil bezeichnen, fand man heraus, dass es ihnen um den besonderen Kick zu gehen scheint. Um das „Spiel mit dem Feuer“. Sie hoffen, dass der Straftäter sich nur für sie ändern wird und dass sie seine Rettung sein können.

Psychologen vermuten die Ursache für dieses Verhalten in Missbrauchs- oder Gewalterfahrungen in der Kindheit, langer Einsamkeit und einem geringem Selbstwertgefühl. Abschließend erforscht ist das Phänomen jedoch noch nicht.

Entscheidend scheint für viele Frauen aber der Sicherheitsabstand zu sein. Beispielsweise die Möglichkeit, den Besuch im Gefängnis abzubrechen, wenn sie wollen oder auch die Briefe einzustellen, wenn sie sich unsicher fühlen. Diese Distanz bietet ein falsches Gefühl von Kontrolle und verleitet viele Frauen dazu, unvorsichtig zu werden.

Man könnte es vielleicht vergleichen mit Menschen, die sich Tiger im Privatzoo halten und mit der Zeit vergessen, dass es sich hier nicht um Hauskatzen handelt. Die Frauen verdrängen die Vergangenheit des Geliebten und geben ihm einen extrem hohen Vertrauensvorschuss. Sie bewundern ihn regelrecht und seine Geschichte verleiht der Beziehung den Kick.

Ein Trugschluss.

Und noch etwas macht diese Art der Beziehung für einige Frauen attraktiv: Sie muss sich keine Sorgen machen, dass er sie betrügen oder verletzen könnte. Man teilt nur wenig Zeit miteinander, kann sich eine Traumwelt aufbauen. Der Mann ist versorgt, sie muss ihm nicht hinterherräumen, er stellt keine Ansprüche. Sie hat die Macht. Zumindest solange er in Haft ist.

„Na gut“, könnte man nun denken, „das sind doch Einzelfälle!“ Doch weit gefehlt.

Die passive Hybristophilie kommt sogar ziemlich häufig vor, was Fälle wie der von Cameron Herrin zeigen. Auch Ted Bundy oder Anders Breivik bekamen unfassbar viele Liebesbriefe ins Gefängnis. Und wer die Namen bekannter Killer im Netz eingibt, wird verstörend viel Fanfiction finden. (Das ist keine Empfehlung. Ich hab’s ausprobiert und dann nicht mehr geschlafen.)

Doch auch die aktive Hybristophilie ist gar nicht so selten. Hierbei stiften Verbrecher ihre Geliebten zur Mithilfe an oder wälzen sogar ganze Morde auf sie ab. Die gemeinsam begangenen Verbrechen sorgen dabei für eine ganz besondere Verbundenheit. Gruselig!

Vorne im Hörsaal geht der Beamer aus und um mich herum klopfen meine Kommiliton*innen auf ihre Tische. Das war doch mal eine lehrreiche Vorlesung.

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Bildquelle: RODNAE Productions von Pexels; CC0-Lizenz