Liebeserklärung an: Das UNO-Spielen

Nun, wo ich so darüber nachdenke, musste mein UNO-Spiel schon so einiges mitmachen. Gerade die Abende waren keine leichte Zeit für die bunte Pappe. Denn immer dann, wenn wir mal keine Lust auf Tanzen und Feiern hatten (Ja, das kommt auch unter Studierenden vor), zog es uns in eine der kleinen Kneipen der Altstadt. Die Fahrräder an die Hauswand gelehnt, ein billiges Glas Weißwein vor uns stehend, hockten wir in den Herbstmonaten zunächst zu zweit auf den Klappstühlen einer winzigen Bar und redeten über Gott und die Welt. Auch hier griff eine von uns irgendwann in die Tasche und zog das Kartenspiel hervor. Drei, vier Runden später bemerkten wir dann meist, wie die Hälse unserer Tischnachbarn immer länger wurden, woraufhin wir sie fragten, ob sie nicht Lust hätten mitzuspielen. Hatten sie. Und so wurde unsere Runde schnell immer größer. Ich liebte diese Abende, denn es war komplett egal mit wem man da spielte und was der oder die andere so beruflich machte. Man verlor oder gewann, bestellte Bier und Schnaps. Die Karten wurden auf den Boden geschmissen oder lagen in Pfützen aus Bier und Cola. Manche bekamen Eselsohren, andere wurden eingerissen oder nach Ende des Tages einfach vergessen. Dort in diesen lärmenden, fluchenden, lachenden Runden lernte ich mehr über Diplomatie als in drei Jahren Politikstudium und mehr über Menschen, als es mir irgendein Professor je hätte beibringen können.

Es war herrlich.

Und wenn der Herbst schließlich in den Winter überging und der Regen zu Schnee wurde, vertrieben wir die Winterdepression mit Glühwein und Kerzenlicht. Dann kuschelten wir uns in meiner WG in dicke Decken ein, backten Plätzchen und während diese im Ofen braun wurden, spielten wir UNO auf dem mehlbedeckten Tisch in der viel zu kleinen Küche.

Irgendwann zum Ende meines Studiums ließ ich mein altes UNO-Spiel in der WG. Es gehörte dort eher hin als in die neue Stadt. Und so vergaß ich mit der Zeit, wie viel Nähe diese Karten zwischen Menschen erzeugen konnten. Keine Ahnung, wie das passiert ist. Denn nun, wo ich da auf unserer Terrasse saß, die Augen auf das bunte Deck in meiner Hand gerichtet, machte sich etwas in meiner Brust breit, was ich die letzten Monate so sehr vermisst hatte: Das Gefühl von zuhause.

Schon komisch, wie sehr manche unserer Emotionen an so etwas banalem wie einem Gesellschaftsspiel hängen können. Aber es hat sicher einen Grund, warum wir diese Kartenspiele so nennen. Denn sie machen genau das, sie verhelfen uns zu Gesellschaft. Nehmen uns die Einsamkeit und geben uns einen Gemeinschaftssinn.

Sie befriedigen menschliche Grundbedürfnisse. Mit nur sieben Karten.

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Bildquelle: Steshka Willems von Pexels; CC0-Lizenz