
Mark Zuckerberg will den Arbeitsplatz wieder „maskulin“ machen, doch dabei würden alle verlieren
Dem Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist die Unternehmenskultur nicht mehr „maskulin“ genug: In einem Interview bei „The Joe Rogan Experience“ bemängelte er den Verlust „maskuliner Energie“ und erklärte, man müsse Eigenschaften wie Aggression wieder fördern. Dies wäre jedoch ein Verlust für alle, schreibt The Conversation.
Im Gespräch mit dem Podcaster Joe Rogan sprach Zuckerberg davon, Arbeitsplätze seien „entmannt“ worden. Doch was bedeutet das überhaupt? Zuckerbergs persönliche Vorlieben spiegeln auf jeden Fall ein bestimmtes Bild von Männlichkeit wider, um das es hier wohl auch geht: Er ist begeisterter Anhänger von Mixed Martial Arts, teilt regelmäßig Beiträge über sein Hobby, Fleisch zu räuchern, und jagt mit Pfeil und Bogen auf seinem Anwesen in Hawaii – so weit, so „typisch männlich“. Die Wissenschaft hinterfragt jedoch, ob ein „maskulinerer“ Arbeitsplatz wirklich sinnvoll ist.
Die Wissenschaft ist nicht davon überzeugt
Was Zuckerberg eigentlich zurückhaben will, nennen Sozialpsychologen eine „Masculinity Contest Culture“. Die Soziologin Jennifer Berdahl führte im Jahr 2018 Studien zu diesem Thema durch und identifizierte vier Schlüsselmerkmale solcher Arbeitskulturen:
- Schwäche zeigen ist nicht erlaubt
- Körperliche Stärke und Ausdauer werden betont
- Die Arbeit wird über alles priorisiert
- Es herrscht eine „Jeder gegen jeden“-Mentalität
An solchen Arbeitsplätzen dominieren meist offener Wettbewerb, toxische Führung, Mobbing und Belästigung. Solche Kulturen haben allerdings negative Folgen, wie Berdahl herausgefunden hat – und das nicht nur für die Gesundheit der Mitarbeiter, sondern auch für das Unternehmen: Hohe Fluktuation, Burnout und ein schlechtes Arbeitsklima sind nur einige der Probleme, die dadurch entstehen können.
Da darf man schon mal ins Grübeln geraten: Macht Zuckerbergs Forderung nach mehr Maskulinität im Büro aus unternehmerischer Sicht überhaupt Sinn?
Ist dieser „weibliche Arbeitsplatz“ gerade mit uns im Raum?
Zuckerbergs Unternehmen Meta ist jetzt auch weit davon entfernt, weiblich dominiert zu sein: Laut Berichten aus dem Jahr 2022 sind fast zwei Drittel der Belegschaft männlich, in der technischen Abteilung lag der Anteil sogar bei 75 Prozent.
„Verweiblicht“ sind Arbeitsplätze in den USA auch nicht, wie die Forschung von Psychologen wie Sapna Cheryan und Hazel Markus zeigt: Viele Unternehmen fördern „maskuline Standards“. Dazu gehören Eigenschaften wie Aggressivität und Rücksichtslosigkeit – also das, woran es laut Zuckerberg am Arbeitsplatz gerade mangelt.
Solche maskuline Standards durchzusetzen, kann nicht nur für Frauen schädlich sein. Untersuchungen belegen, dass Männer, die sich gezwungen fühlen, strikten Geschlechterrollen zu entsprechen, unter Unsicherheit und Aggression leiden können.
Erfolgreiche Unternehmen brauchen nicht „mehr Männlichkeit“
Laut Experten sind Unternehmen erfolgreicher, wenn sie sowohl traditionell männliche als auch weibliche Eigenschaften fördern: Kooperation und Eigeninitiative sind entscheidende Faktoren für den Erfolg, und das völlig unabhängig vom Geschlecht der Mitarbeitenden. Eine Arbeitskultur, die diese Werte unterstützt, fördert nicht nur Innovation, sondern steigert auch die Zufriedenheit der Angestellten.
Die Forderung nach mehr „Maskulinität“ am Arbeitsplatz scheint also nicht nur wissenschaftlich unbegründet – sie ist auch kontraproduktiv. Wie Adam Stanaland, Assistenzprofessor für Psychologie an der Univerity of Richmond, in seinem Artikel für The Conversation richtig anmerkt, ignoriert Zuckerberg bei seiner Argumentation wichtige Aspekte moderner Arbeitsforschung zugunsten von Geschlechterklischees.
Ist das einfach nur Ignoranz oder steckt Strategie dahinter?
Warum also fordert Zuckerberg wieder ein maskulineres Arbeitsumfeld? Eine (vielleicht etwas zu wohlwollende) Erklärung könnte Unwissenheit sein – womöglich ist ihm einfach nicht bewusst, dass viele Arbeitsplätze in den USA bereits wettbewerbsorientiert und von traditioneller Männlichkeit geprägt sind.
Er könnte damit aber auch einen von mehreren strategischen Ansätzen verfolgen: Vielleicht glaubt Zuckerberg, ein aggressives Arbeitsumfeld würde Talente anziehen und Innovation fördern. Studien zeigen jedoch, dass exzessiver interner Wettbewerb die Kreativität hemmen kann. Stattdessen fördern Unternehmen Innovation eher durch Zusammenarbeit und ein positives Arbeitsklima.
Es ist aber sicherlich nur reiner Zufall, dass der amtierende US-Präsident Donald Trump ein ähnliches Bild von Männlichkeit besitzt. Immerhin würde kein Tech-Unternehmer versuchen, an politischem Einfluss zu gewinnen, indem er sich jetzt auf die Seite Trumps schlägt – ob es wirtschaftlich Sinn ergibt oder nicht.
Diversität statt Einseitigkeit
Wenn euch Aktivitäten wie Kampfsport oder Jagen Spaß machen, dann soll euch dieser Artikel hier übrigens nicht den Spaß daran verderben. Nur, weil manche Hobbys als „typisch maskulin“ wahrgenommen werden, heißt es nicht, dass sie auch toxisch und per se problematisch sind.
Problematisch ist die Sichtweise, dass Männer rein aufgrund ihres Geschlechts und dessen Auslebung einen positiven Einfluss auf Unternehmen haben, Frauen aus den gleichen Gründen aber nicht. Dies sorgt nur dafür, die Arbeitswelt weiter zu polarisieren. Eine solche Haltung ist nicht nur unzeitgemäß, sondern auch schädlich für die Innovationskraft und das Betriebsklima eines Unternehmens. Ein modernes Arbeitsumfeld sollte auf Diversität und Gleichberechtigung setzen, um langfristig erfolgreich zu sein.
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Bild: JD Lasica via Wikimedia Commons unter CC BY 2.0-Lizenz