Warum ich aus der katholischen Kirche ausgetreten bin

Warum ich aus der katholischen Kirche ausgetreten bin

Homosexuelle werden benachteiligt.

Der aktuelle Papst ist ja ein richtiger Reformer. Er setzt sich für Homosexuelle ein. Zumindest für eingetragene Partnerschaften und er sagt sogar: „Homosexuelle Menschen haben das Recht darauf, in einer Familie zu sein“. Was will man mehr?

Ironie beiseite, Homosexuellen ein Menschenrecht zuzusprechen, lässt den Papst jetzt nicht gerade zum Heiligen werden. Diese klitzekleine Weniger-Diskriminierung war für die verklemmte, konservative Kirche allerdings ein Skandal. Fakt ist: Homosexuelle Praxis wird als Sünde abgetan, der Papst ist gegen die Ehe für alle, schwulen Priestern wird aufgrund ihrer Sexualität der Platz im Priesterseminar verweigert. In NRW wurde ein schwuler Lehrer nach seinem Referendariat nicht übernommen. Das Problem war allerdings nicht die Homosexualität, sondern dass er seinen Partner heiraten wollte. Ja, das sprengt nun wirklich die Grenzen der Toleranz. Heiraten auch noch? Absurd, was die so alles tun wollen.

Dass es außerdem noch andere sexuelle Orientierungen und sogar andere Geschlechtsidentitäten als Frau und Mann gibt, das ist bei der Kirche noch gar nicht wirklich angekommen. Aber auch, wenn sie das irgendwann mitbekommen, bin ich pessimistisch, dass sie queeren Menschen einladend und freundlich gesinnt begegnet.

Die Kirche fördert toxische Ehen.

Denn laut ihr ist der Ehebund unauflösbar, eine Scheidung nur in wenigen Ausnahmen möglich. Wer sich doch scheiden lässt, muss mit Benachteiligung rechnen, wer dann sogar erneut heiratet mit noch schwerwiegenderen. Der Druck, in einer Ehe zu bleiben, um der Kirche treu zu sein oder die Anerkennung und die Möglichkeiten der Mitarbeit in der Gemeinde nicht zu verlieren, ist groß. Dabei ist es natürlich, dass Menschen sich auseinanderleben, dass Liebe vergeht und Beziehungen scheitern. Statt diesen Menschen beizustehen und ihnen Unterstützung für einen gesunden Neuanfang zu spenden, drängt die Kirche Menschen dazu, in ihren ungesunden Beziehungen zu bleiben. Das kann für Menschen, die zum Beispiel unter häuslicher Gewalt leiden, fatal sein, denn sie benötigen den Halt des Glaubens oft am meisten.

Missbrauch ist ein Strukturproblem.

Der sexuelle Missbrauch unter anderem von Minderjährigen ist in der Institution der katholischen Kirche kein Einzelfall und wird durch einige Risikofaktoren wie den Zölibat (die Ehelosigkeit von Priestern) begünstigt. Es kommen immer mehr Fälle ans Licht, doch statt einer transparenten Aufklärung und Verfahren sieht man Vertuschung und keinen großen Willen, die Leid produzierenden Strukturen aufzubrechen.

Ich bin erwachsen(er) geworden und habe die Erziehung, die ich erhalten habe, hinterfragt. An den mir vermittelten Werten, auch den christlichen, kann ich nichts aussetzen, allerdings halte ich die katholische Kirche für eine Institution, die ihre eigenen Werte verrät. Nächstenliebe, Gerechtigkeit, Selbstlosigkeit? Davon kann ich nichts in den alten Männern erkennen, die sich an ihre Macht klammern und nicht bereit sind, ihr Menschen- und Weltbild zu hinterfragen. Wenn ich die Geschichten der Kinderbibel aus meiner Kindheit richtig in Erinnerung habe, hat Jesus stets denen geholfen, die in Schwierigkeiten steckten, den Außenseitern, den von der Gesellschaft Geächteten. Wäre das nicht die Aufgabe der Kirche? Sich um all die zu kümmern, denen sowieso schon Steine in den Weg gelegt werden? Also genau den Frauen, den Queeren, den Opfern von Gewalt, Armut, Krieg und Missbrauch? Stattdessen tritt die Kirche noch mal nach, nein, sie ist sogar mit Ursache, wieso all diese Menschen benachteiligt sind.

Die Themen Gleichberechtigung und Diskriminierung wurden für mich immer wichtiger und stellten einen Widerspruch zu meiner Mitgliedschaft in der Kirche dar. Ich wollte mich selbst klar positionieren, für die Rechte von Frauen, von anders Lebenden und Liebenden, für Missbrauchsopfer. Als ich zum Studium weggezogen bin, hatte ich auch alle positiven Bezugspunkte zur Kirche verloren, mich hat nichts gehalten.

Nun ist die Kirche für viele, die meine Überzeugungen teilen, trotzdem ein wichtiger Teil des Lebens. Ich möchte niemandem den Glauben absprechen oder den Eindruck erwecken, man müsste aus moralischen Gründen aus der Kirche austreten. Zuerst einmal ist der Glaube nicht an die Kirche gebunden und man kann auch ohne die Institution gläubig sein. Man ist kein Christ, weil man in die Kirche geht, denn man ist auch kein Auto, weil man in die Garage geht. Und dann gibt es noch so viele Kirchenmitglieder, die für Gleichberechtigung und Aufklärung kämpfen, die die Kirche zu einem toleranten Ort machen möchten. So ein Beispiel ist die Frauenbewegung Maria 2.0. Ihnen möchte ich an dieser Stelle meinen Respekt aussprechen, und obwohl die Kirche nicht mehr mein Ort ist, hoffe ich doch, dass ihre Bemühungen Früchte tragen.

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Bildquelle: Pexels; CCO-Lizenz