Eine Liebeserklärung an: “Orange Is the New Black“

Achtung: Dieser Text enthält Spoiler!

Anerkennung und die damit verbundene Sichtbarmachung von Andersartigkeit ist – vor allem seitdem die Trump-Ära einen tiefen Krater durch die Geschichte der Demokratie zieht – nicht ganz einfach für die amerikanischen FernsehmacherInnen. Zwar weiß der durchschnittliche Serienschreiberling, dass es Schwarze, Hispanics, Transgender und Homosexuelle im Land gibt, diese aber auch auf den Bildschirm zu bringen, ist wieder ein anderes Thema. Netflix hat sich genau das aber mit “Orange Is The New Black“ getraut und damit bewiesen, dass sie die dicksten Eier haben.

 

Wo die Liebe hinfällt

 

Was haben wir für Glück, dass Piper Kerman 1993 ihr junges Herz an eine mit Heroin handelnde Frau verlor. Ohne diese lesbische Beziehung mit Alex und den damit einhergehenden Geld- und Drogenschmuggel hätte Netflix nämlich nichts zum Herzeigen und wir nichts zum Gucken gehabt. Kerman, die sowohl im echten Leben als auch in der Serie kein nennenswertes Verbrechertalent besitzt, wurde 1998 zu 15 Monaten Haft verurteilt. Gott sei Dank. Ohne ihre Gefängniserfahrung hätte sie wahrscheinlich auf eine ziemlich gute Geschichte für die Enkel verzichten müssen. Und wir auf einen Bestseller, den Netflix zur Serie machte.

 

Darum geht´s am Anfang

 

Piper liebt Larry und irgendwie auch Alex. Ein geschmuggelter Koffer voller Drogen wird Piper aber nach zehn Jahren zum Verhängnis und führt sie aus ihrem erfolgreichen Geschäfts- und Liebesleben direkt in den Frauenknast Litchfields. Dort begegnet Piper, die eigentlich gerade Larry heiraten will, wiederum Alex, mit der sie vor zehn Jahren eine Beziehung im Drogenmilieu führte. Stoff, aus dem Serienknaller gemacht werden! OITNB zeigt uns in den einstündigen Episoden, wie das Leben der Frauen im Knast ist, welche vielseitigen Charaktere sich hinter Gitterstäben verbergen und wie sadistische Männer von einem Haufen eingesperrter Frauen richtig was auf die Mütze kriegen. Die Geschichte um Piper und Alex rutscht im Laufe der zweiten Staffel nach und nach in den Hintergrund und macht Platz für die Geschichten der anderen Insassinnen. Wir erfahren, wie es schwierig es für die Soldatentochter Poussey ist, eine lesbische Beziehung mit der Tochter eines deutschen Offiziers zu führen (Achtung, Spoiler: sehr schwierig) und verfolgen gleichzeitig die Geschichte von Taystee, die als Waise auf der Suche nach Mutterliebe in Drogenkreise rutscht.

Es geht um Liebe, Eifersucht, Verrat und Intrigen. Um Prügeleien, Isolation, Homosexualität, die Menopause und, wie es ist als Transgender-Frau in einem Frauengefängnis zu sitzen. OITNB spricht Themen an, die so im Fernsehen noch nicht besprochen wurden. So stirbt in der vierten Staffel beispielsweise Poussey während eines friedlichen Protests, weil ein unausgebildeter Wärter sie am Boden fixiert und dabei versehentlich erstickt. Rohe, unkontrollierte Polizeigewalt at its best – kennen wir das nicht irgendwoher? Auch Eric Garner, ein Afroamerikaner, kam durch Polizeigewalt ums Leben, als ihn 2014 ein New Yorker Polizist vor laufender Kamera zu Tode strangulierte. Solche Fälle sind in Amerika bittere Realität. Dass die oftmals rassistisch motivierten U.S. Polizisten auf freiem Fuß bleiben übrigens auch.

Nach Pousseys Tod trauern die Insassen, während die Gefängnisleitung über Kommunikationsstrategien nachdenkt, den Tod vor der Presse unter den Teppich zu kehren. Als Caputo vor die Kameras tritt, ohne ein Wort über die Schuld des Wärters zu verlieren, bricht im Gefängnis ein Aufstand unter den Frauen aus. Sie übernehmen das Gefängnis, schießen einen Wärter an und organisieren sich selbst. Der „Riot“ zieht sich über die gesamte 5. Staffel. Wir sehen, wie die Frauen versuchen eine eigene Ordnung im Gefängnis aufzubauen. Außerdem erfahren wir von einem „Bunker“, den Frieda in einem alten Schwimmbad errichtet hat.

 

Darum geht´s am Ende

 

Gedächtnisstütze für die letzte Folge gefällig? Der Aufstand der Insassen endet damit, dass ein Sondereinsatzkommando das Gefängnis stürmt und alle fest nimmt. Außerdem wird Piscatella von einem anderen Officer versehentlich erschossen. Ob dieser Mord letztlich jedoch jemandem angehängt wird, bleibt erstmal unklar. Die Insassen werden vor dem Gebäude in unterschiedliche Busse gesetzt und zu anderen Haftanstalten abtransportiert. Währenddessen stellen sich die fehlenden 10 Frauen im Bunker Hand in Hand auf und erwarten die Stürmung ihrer Festung.

 

Warum wir es alle lieben sollten

 

OITNB ist keine gewöhnliche Knastserie. Piper, Daddys verwöhnter, neureicher Liebling, rückt im Laufe der Staffeln immer mehr in den Hintergrund und macht Platz für Charaktere, die nach und nach die Probleme der amerikanischen Gesellschaft ansprechen. Das soziale Bewusstsein gegenüber schwarzen Frauen soll gestärkt werden. Ganze 30 Prozent der inhaftierten Frauen in der USA sind nämlich Afroamerikanerinnen! Gleichzeitig zeigt OITNB Frauen in all ihren Facetten: groß, klein, fest, dünn, tätowiert, mit schlechten Zähnen, ohne Zähne und vor allem nackt. In keiner anderen Serie konnte ich so viele Brüste und Popos auf einmal beim Duschen beobachten. OITNB ist zurecht die meistgesehene Netflix-Serie und bricht mit seinen Themen so ziemlich jedes engstirnige Tabu unserer Gesellschaft. Netflix, mit OITNB hast du dir einen Dauermietvertrag in unseren Herzen gesichert.

 

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Bildquelle: Screenshot Youtube