Home is where your Kneipe is. Bild: Unsplash

Liebeserklärung an: Die Dorfkneipe

Betrete ich die Kneipe „Am Eck“ werde ich herzlich begrüßt – mit Namen natürlich. Die Wirtin kennt alle ihre Gäste mit Namen, auch der Getränkewunsch ist klar. So setze ich mich mit meinen Freunden lediglich an einen der drei Tische und warte auf mein frisch gezapftes Bier. Je nach dem wer sonst noch da ist, dauert entweder das Zapfen oder Weg zum Tisch länger. Denn nichts in dieser Kneipe erfolgt ohne kurzen Smalltalk, ohne Frage nach dem letzten Fußballspiel oder Begutachtung der neuen Frisur. Man kennt sich eben, sowohl Wirtin als auch Gäste. 

Und so fühlt man sich beim ersten Schluck des Bieres wie zu Hause angekommen. Die alten Holzstühle sind nicht unbedingt bequem, die Beschallung durch SWR4 ist nicht unbedingt meine Lieblingsmusik und die Wirtin nicht unbedingt die fähigste Servicekraft, trotzdem ist alles irgendwie perfekt und wie im heimischen Wohnzimmer. Um in die Kneipe zu gehen, brauche ich weder Bargeld noch ein geeignetes Outfit. Ganz spontan kann ich mit meiner Mannschaft nach einem gewonnenen Spiel die wenigen Meter ans Eck gehen – mit Sporttasche und Jogginghose. Die getrunkenen Siegerbier werden auf dem Deckel notiert, die Anzahl der Striche schwankt dabei genauso wie die Wirtin im Laufe des Abends. Aber egal – dafür ist die Zeit im Eck immer sorglos. 

Dorfparty statt Stadtstress 

Hier muss ich mir weder Gedanken um die Wertsachen in meiner Sporttasche machen, noch darüber in gewaltsame Auseinandersetzungen zu geraten – denn hier kennt jeder jeden. Und so befassen sich die Wortgefechte lediglich mit dem vergangenen Fußballspiel, der neuen Straßenführung oder der kommenden Kirmes. Denn das sind die Themen, die alle vereinen – den noch zu Hause wohnenden Studenten, den dorfansässigen Handwerker, den Ortspolitiker, den Dorfpolizisten oder das alte Rentner-Ehepaar. Die Gäste sind zwar grundverschieden, sie haben aber eines gemein: Sie lieben ihr Dorf und ihre Dorfkneipe. 

Wenn die Stimmung einmal besonders ausgelassen ist, ein Sieg des Fußballvereins mit einem Geburtstag eines Stammkunden und der Männertour der alten Herren zusammenfällt, dann kann auch die gemütliche Eck-Kneipe zu einer Partyhöhle werden. Dann spielt der Kabinen-DJ die Schlager-Playlist, die Wirtin würfelt statt zu bedienen und der Stammkunde steht plötzlich hinter der Theke. Vielleicht sind die Übergänge nicht perfekt und das Bier nicht optimal gezapft, dafür vergeht die Zeit an diesen Abenden wie im Flug. Und plötzlich wird es draußen langsam hell und die Wirtin will nun endlich Feierabend machen. Dann ist es Zeit zu gehen – natürlich zu Fuß, denn bei keinem dauert der Heimweg länger als zehn Minuten.

„Ich zahle beim nächsten Mal“, rufe ich im Hinausgehen. „Kein Problem, ich weiß ja wo du wohnst“, antwortet die Wirtin. Man kennt sich eben, über all die Jahre und aus dem Dorf. Das ist der Charakter einer Dorfkneipe. Dass das schon immer so ist, spürt man. Daher ist es umso wichtiger, dass die letzte Kneipe, die so prägend ist für den Charakter des Dorfes, erhalten bleibt.  

Ist ein Ökosystem einmal zusammengebrochen, dauert es Jahrzehnte bis es wieder aufgebaut ist. Zeit also, jetzt die letzten ihrer Art und damit das Ökosystem Dorf zu retten. 

Mehr Liebeserklärungen:

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Amie Johnson on Unsplash; CC0-Lizenz