Jannis Niewöhner (Karl) und Luna Wedler (Maxi) © Copyright Pandora Film; Foto von Tom Trambow

„Je suis Karl“: Verliebt in einen Rechtsextremisten

Interview mit Karl-Darsteller Jannis Niewöhner

ZEITjUNG: Was war dein allererster Gedanke, als du von Karls Rolle erfahren hast?

Jannis: Ich wusste gleich, dass das von Christian Schwochow kommt. Er ist für mich einfach einer der spannendsten Regisseure zurzeit, weil er mittels von Figuren politisch und gesellschaftlich relevante Themen erzählt; weil er seine Figuren so ernst nimmt und alles so lebendig wirkt, lässt man sich auch auf das jeweilige Thema ein, was ich ganz großartig finde.

Dann fand ich natürlich den Charakter auch ganz spannend, weil er eigentlich nicht so recht greifbar ist. Man weiß eben nicht, wer das ist, wann und ob er überhaupt ehrlich ist oder nur ein Schauspiel auflegt. Wir wissen nicht, wieso er das tut, was er macht. Jemanden so böse Sachen machen zu lassen, ohne die Frage nach dem Wieso zu beantworten und ein psychologisches Profil von der Person zu erstellen, finde ich einen interessanten Ansatz.

ZEITjUNG: Worauf hast du dich also am meisten konzentriert, während du in die Rolle dieser scheinbar undurchsichtigen und wagen Person geschlüpft bist?

Jannis: Eigentlich immer auf mein jeweiliges Gegenüber – ob es die Massen an Menschen sind, vor denen Karl spricht oder eine einzelne Person. Er ist gut darin, den Leuten das zu geben, was sie wollen. Er vermittelt ihnen ein Gefühl von Wärme, Verständnis und auch Liebe, weswegen Leute sich öffnen und sich von ihm so einspannen lassen. Letztendlich ist er für mich aber auch nur ein gebranntes Kind, dass nach Liebe schreit. Es geht immer wieder darum, irgendwo auch geliebt zu werden. Er macht das aber auf einem Level, wie wir das alle wahrscheinlich nicht kennen. Diesen Gedanken hatte ich auch ständig im Hinterkopf.

Jannis Niewöhner als Karl © Copyright Pandora Film

ZEITjUNG: Abgesehen von Hass und Hetzte wirkt die von Karl geführte Bewegung irgendwie hip und intellektuell. Wieso fällt es solchen Gruppen scheinbar so leicht, junge Leute anzusprechen?

Jannis: Weil wir natürlich in einer Zeit leben, in der die Inszenierung der äußeren Hülle einen wahnsinnigen Eindruck auf junge Menschen hat und dabei seltener unter die Oberfläche geschaut wird. In vielen Medien dreht sich alles nur um eines – um Selbstinszenierung. Die „Neue Rechte“ ist in ihrer Selbstdarstellung nicht ehrlich oder authentisch, aber sie inszeniert sich so: Nach außen hin erscheint alles sauber, es macht Sinn und vor allem wirkt es friedvoll. Das kann es schwer machen, den eigentlichen Antrieb hinter so einer Bewegung zu erkennen.

ZEITjUNG: Wenn ja, welchen Ratschlag könntest du einer Person geben, die mit einer Person wie Karl oder ihren Ideologien sympathisiert?

Jannis: Vieles von dem, was Neurechte sagen und verkaufen, macht auf den ersten Blick total Sinn. Aber auch wenn es sich gut anhört, muss man solche Überzeugungen immer überprüfen und hinterfragen. Und wenn am Ende dabei herauskommt, dass all diese Ansätze im Kern menschenverachtend sind, dann kann das nicht richtig sein. Rechtsextreme Politik geht letztendlich immer gegen Menschenleben – Rechtsextremismus tötet. Darauf kann man solche Gruppierungen sehr gut überprüfen und das sollte man auch tun.

ZEITjUNG: Der Film erzählt ja eigentlich auch eine Liebesgeschichte zwischen Karl und Maxi, auch wenn die Liebesbeziehung eher einseitig ausgefallen ist.

Jannis: Die Leute werden das wohl so und so empfinden. Wahrscheinlich ist Karl die Beziehung mit dem Ziel eingegangen, Maxi zu manipulieren. Für mich besteht aber auch die Möglichkeit, dass sich Leute das angucken und sagen: „Ah, vielleicht verliebt er sich ja wirklich, vielleicht zweifelt er sogar an dem, was er tut?“. Vielleicht tut er das auch gar nicht, aber die Möglichkeit ist da und insofern sehen wir zwei Menschen, die sich nahekommen und etwas teilen – ob das echt ist oder nicht, bleibt dem Eindruck der Zuschauer*innen überlassen.

ZEITjUNG: Vielen Dank für die Interviews!

„Je suis Karl“ läuft ab dem 16. September in den Kinos und wurde ebenfalls für den Deutschen Filmpreis nominiert. Die Verleihung kannst du am 1. Oktober im ZDF mitverfolgen, beginnend ab 23:00 Uhr.

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Bildquelle: © Copyright Pandora Film; Foto von Tom Trambow