Zwei Teilnehmer*innen von "Squid Game" prügeln sich.

Squid Game: Die Auswirkungen von Gewalt in Serien

Die Drama-Serie „Squid Game“ lockte bisweilen 111 Millionen Fans vor die Bildschirme – damit löst die Netflix-Serie den bisherigen Rekordhalter „Bridgerton“ ab und wird zur erfolgreichsten Serie auf Netflix. Die Menschen sind fasziniert von der spannenden Handlung und den brutalen Gewaltexzessen – so fasziniert, dass einige die gewaltsamen Spiele der populären Netflix-Produktion nachspielen.

Bei der südkoreanischen Produktion dreht sich alles um Kinderspiele – und ein Preisgeld von 45,6 Milliarden Won (circa 33 Millionen Euro), welches der- oder diejenige bekommt, der/die alle Spiele gewinnt. 456 hoch verschuldete Kandidat*innen nehmen an dem Spiel teil – was sie jedoch nicht wissen: Wer in den koranischen Kinderspielen verliert, stirbt. Aufgrund der hohen Anzahl von Gewaltszenen, die nicht nur physischer, sondern auch psychischer Natur sind, ist die Produktion erst ab 16 Jahren freigegeben – trotzdem haben sich Kinder die Serie angesehen, was fatale Folgen nach sich zog.

An Schulen in Belgien und England haben Schüler*innen das erste Spiel der Serie „Rotes Licht, grünes Licht“ nachgestellt. Wie auch in der Serie erwarteten die Verlierer*innen eine Strafe – sie wurden von den Mitspieler*innen verprügelt. Auch in Paris lieferten sich Schüler*innen brutale Straßenschlachten infolge der Serie. Der Hype geht jedoch noch weiter: Die Vereinigten Arabischen Emirate veranstalteten die erste reale Version der Erfolgsserie. Am 12. Oktober stellte das koreanische Kulturzentrum in Abu Dhabi die Serie und vier originalgetreue Spiele nach – jedoch ohne jemanden zu verletzen. Anstatt echter Waffen wurden Spielzeugpistolen verwendet. Außerdem lockte auch kein millionenschweres Preisgeld. Trotzdem wurden Teilnehmer*innen stilecht in weiße T-Shirts und grüne Trainingsanzüge gesteckt und die Mitarbeiter*innen als anonyme Personen in roten Anzügen verkleidet.

Die Gewaltfaszination

Der Erfolg der Serie widerspricht dem allgemeinen Glauben, Gewaltszenarien würden Unbehagen in Zuschauer*innen auslösen. Vielmehr haben die brutalen Spiele eine anziehende Kraft auf das Publikum. Andererseits zeigte eine Analyse von 18 Studien und mit mehr als 2.000 Proband*innen, dass Gewalt im Film oft als störend empfunden wird und die Zufriedenheit der Zuschauer*innen schmälert. Es ist also ein Paradox, welches sich vielleicht durch die Motivation der Zuschauer*innen, einen Film oder eine Serie zu schauen, erklären lässt. In einem Interview mit der WELT sprach die Kommunikationswissenschaftlerin Anne Bartsch über die unterschiedlichen Auswirkungen von Gewalt auf das Publikum. Den meisten Menschen geht es beim Filmschauen nicht nur um Spaß oder Nervenkitzel, sondern sie suchen nach Sinnhaftigkeit. Wenn Zuschauer*innen das Gefühl haben, Gewaltszenen haben eine Bedeutung und tragen maßgeblich zum Verständnis der eigenen Realität bei, akzeptieren sie brutale Szenen viel eher. Diese Theorie lässt sich auch auf „Squid Game“ übertragen. Obwohl die Serie voller Gewalt, Beleidigungen und Verrat steckt (und die Sterberate ziemlich hoch ist), ist sie darüber hinaus stark gesellschafts- und konsumkritisch und bemängelt den herrschenden Kapitalismus. Diese Aspekte des Films werden also durch die Ausübung von Gewalt emotional verstärkt. Dadurch ist die Gewalt zwar präsent, aber mindert nicht die Zufriedenheit des Publikums.